Nun ist die „Tarifreform“ bei den Wiener Linien durch. Einer Verbilligung bei der Jahreskarte stehen andere Verteuerungen entgegen. Zusammengefasst: Grüne vor der Wahl: „100 Euro für die Jahreskarte“. Grüne nach der Wahl: „100 Euro für´s Schwarzfahren.“
Die neuen Tarife bei den Wiener Linien stehen fest: Die Jahreskarte kommt (bei Einmalzahlung) auf 365 Euro statt bisher 449. Die Monatskarte kommt auf 45 Euro statt bisher 49,50. Daneben gibt es Verbesserungen für Kinder und eine Anpassung der SeniorInnentarife (Männer und Frauen werden nun gleich behandelt).
Doch dafür werden andere Tarife erhöht: der Einzelfahrschein von 1,80 auf 2 Euro, die Wochenkarte von 14 auf 15 Euro, die 8-Tage-Klimakarte von 28,80 auf 33,80 Euro und das Semesterticket für Studierende von 50,50 auf 75 Euro – da ist zwar nun ein Monat mehr drin, was aber denen, die in diesem Monat nach Hause fahren, nichts bringt. Und besonders hart: das Schwarzfahren wird von bisher 70 Euro auf 100 Euro erhöht, eine Verteuerung also um 30%.
Schmerzhafte Verteuerung
Natürlich ist die Verbilligung der Zeitkarten ein richtiger Schritt. Und gerade bei der Jahreskarte gibt es tatsächlich eine real spürbare Veränderung – die allerdings weit entfernt ist von den 100 Euro, die die Grünen für die Jahreskarte gefordert hatten. Doch gleichzeitig sind im Paket auch einige Verschlechterungen enthalten. Der Einzelfahrschein wird weniger ins Gewicht fallen, doch die Anhebung bei den Semestertickets und vor beim Schwarzfahren ist in einem schmerzhaften Bereich.
Vor allem beim Schwarzfahren ist das problematisch. Es gibt wenige Leute, die genug Geld haben und sich aus purer Lust den Kick geben, ob sie heute erwischt werden oder nicht. Tatsächlich sind es jene, für die auch die 365 Euro pro Jahr noch sehr schmerzhaft sind, die davon getroffen werden. Arbeitslose, BezieherInnen sehr kleiner Einkommen, AlleinerzieherInnen oder StudentInnen (während der Monate ohne Semesterticket) werden nun zum Handkuss kommen.
Sozial-Beratungsstellen etwa können ein Lied davon singen, wie oft KlientInnen wegen Schwarzfahrens in echte finanzielle Probleme kommen. Inclusive Mahngebühren und Inkassospesen sind es meist 300 bis 400 Euro, die dann offen sind – einfach, weil die ursprünglichen 70 Euro nicht bezahlt werden konnten …und das wird nicht besser, wenn es nun 100 sind.
Das Gesamtpaket betrachten!
Rot und Grün werden nun – zurecht – sagen, dass es darum geht, das Gesamtpaket zu betrachten. Gut, tun wir das: Erhöhungen bei den Wassergebühren, bei den Parkgebühren, bei den Müllgebühren, bei den Kanalgebühren, Fernwärme-Erhöhung, Gas-Verteuerung, Verteuerung der Mieten in den Gemeindebauten.
Doch notwendig wäre etwas anderes. Nämlich Tarife, die sich die Menschen leisten können und die der Umwelt langfristig nützen. Im Falle der Wiener Linien bedeutet das ganz klar: Nulltarif im gesamten öffentlichen Personen-Nahverkehr. Das ist das soziale und ökologische Gebot der Stunde.
Ist das leistbar? Natürlich. Doch vor allem die SP spricht lieber immer davon, dass die Tarife „angepasst“ werden müssen. Interessant aber, dass wir seit Jahren keine Taten sehen, wenn es darum geht, bei den KV-Verhandlungen auch die Löhne und Gehälter anzupassen.
Bei den Tarifen hören wir immer: „mehr können wir uns nicht leisten“. Doch für uns ist klar: wir können und wollen uns euch nicht mehr leisten.
Zum Weiterlesen:
Und auf einmal ist die Fahrt drei Mal so teuer (CAT Wien) Juli 2011
Zu ÖBB und CAT:
ÖBB: Für besseren Verkehr für alle! (Dezember 2009)
CAT – City Airport Train und die Zerschlagung der ÖBB (Jänner/Januar 2004)
Bahn international:
Deutschland: Warnstreiks der LokführerInnen (März 2011)
Berliner S-Bahn: wie der Kapitalismus Chaos produziert (Januar/Jänner 2011)
Projekt der Herrschenden: Stuttgart 21 (Oktober 2010)
Die Berliner S-Bahnkrise – Privatisierung und KundInnenabzocke (März 2010)
Schweiz: SBB-Cargo: Widerstand gegen Privatisierung (April 2008)