Die 4,2% Lohnerhöhung für die MetallerInnen hat Lust auf mehr gemacht! Laut Umfragen wollen viele, dass in Zukunft öfter gestreikt wird. Eine Analyse des Streiks und der Aufgaben in den kommenden Wochen.
Der Streik der MetallerInnen hat gezeigt, was geht, wenn die Gewerkschaft nur ein wenig die Muskeln spielen lässt. Vor allem aber wird nun in den Umfragen deutlich, dass viele schon lange darauf gewartet haben, dass es endlich Kampfmaßnahmen gibt.
59% für die MetallerInnen!
Das Meinungsforschungsinstitut OGM hat für den Kurier in einer jüngst erschienenen Umfrage abgefragt, wie die Menschen zum jüngsten MetallerInnenstreik und zu Streiks im Allgemeinen stehen.
Gefragt wurde: „Die Metallarbeiter haben eine deutliche Lohnerhöhung mit Warnstreiks durchgesetzt. Waren die Streiks ihrer Meinung nach gerechtfertigt oder nicht?“ Ergebnis: 59% halten den Streik für gerechtfertigt, nur 28% für nicht gerechtfertigt, 13% wollten sich nicht äußern.
Friedhofsruhe durchbrochen
OGM hat aber noch eine weitere Frage gestellt: „Sollen die Gewerkschaften in Zukunft zur Durchsetzung ihrer Interessen verstärkt zu Kampfmaßnahmen wie Streiks greifen?“ Ergebnis: 48% sagen ja, 33% sagen nein, 19% geben keine Auskunft. Dieses Ergebnis ist beeindruckend nach 50 Jahren Friedhofsruhe der SozialpartnerInnenschaft.
Warum das so ist? Die „Expertin“ des OGM, Karin Cvrtila, erklärt es pauschal so: „Die Österreicher sind normalerweise konsensorientiert und wollen, dass ein Kompromiss gefunden wird. Für Streiks sind sie eher nicht zu gewinnen.“ Warum dann das Ergebnis zustande kommt? „Da geht es ums Geld, da geht es um jeden Einzelnen, weil jeder irgendwie betroffen ist.“ Das allerdings hätten wir auch ohne Expertise gewusst …
Interessant ist aber auch, nochmals hinter diese Zahlen zu blicken: Zum einen war die Zustimmung bei jungen größer als bei älteren Befragten – das ist ein Versprechen für die Zukunft. Zum anderen sollten wir bedenken, dass eine solche Umfrage repräsentativ ist, also auch Menschen umfasst, die nicht selbst im Arbeitsleben stehen oder die selbst UnternehmerInnen/leitende Angestellte/ BäuerInnen sind. Dann wird die Zahl noch klarer: Eine große Mehrheit der ArbeiterInnenklasse wünscht von ihren Gewerkschaften, dass diese kämpfen!
Das hat sich schon beim Streik der MetallerInnen abgezeichnet. Offenbar war die Streikleitung selbst überrascht von der Dynamik und der Menge der Betriebe, die in Streik getreten sind und vor allem davon, dass in einigen Betrieben die ersten Betriebsversammlungen zu Streiks verlängert wurden, etwa bei Böhler im steirischen Kapfenberg, der VOEST in Linz oder dem Motorenhersteller BRP-Powertrain im oberösterreichischen Gunskirchen.
Abschluss ist ein Dämpfer
Doch gleichzeitig hat der MetallerInnenstreik auch gezeigt, wie es nicht geht. Eigentlich ist das Ritual der Kollektivvertragsverhandlungen bekannt: Es gibt zwei Angebote und dann einigen sich die Bosse und die Gewerkschaft irgendwo in der Mitte – gewerkschaftsintern war das auch diesmal so geplant. Doch dadurch, dass es ungewöhnlicherweise einen Streik gab, wurden die 5,5% zu einem Symbol. Und so empfanden viele den Abschluss und das schnelle Nachgeben der Gewerkschaft schlussendlich zu Recht als Dämpfer.
Kein Wunder: Der durchschnittliche Abschluss von 4,2% ist zwar nicht schlecht. Andererseits aber steigen die Preise weit schneller. Laut Standard vom 14.10. kostet ein Wocheneinkauf bereits 7,1% mehr als im Vorjahr. Die Inflationsrate ist zwar niedriger, doch ist die wenig aussagekräftig, da sie einen sehr breiten Warenkorb von Gütern des täglichen Bedarfs bis Fernseher und Fernreise umfasst – und wir brauchen einfach öfter Toilettenpapier als einen neuen Plasma-Fernseher.
Was notwendig wäre
Es steht in den nächsten Wochen eine ganze Reihe von wichtigen KV-Verhandlungen an. Wir wissen, dass die KollegInnen bereit sind, zu kämpfen und zu streiken. Was nun fehlt, ist ein klarer Plan. Wenn Streiks geplant werden, dann müssen sie eine Dynamik entfalten. Das bedeutet, dass erreichbare Ziele aufgestellt werden, dass aber dann auch ernsthaft um die Erfüllung gekämpft wird.
Die KollegInnen müssen die Chance haben, sich ihrer Stärke bewusst zu werden. Ein Kollege wurde im ORF-Interview gefragt, was sie denn den ganzen Tag täten. „Karten spielen“, war die Antwort. Das ist als Angebot der Gewerkschaft zu wenig. Besser wäre es, wenn die KollegInnen aus dem Betrieb kommen und Demonstrationszüge bilden. Dabei könnten auch andere Betriebe besucht werden und Diskussionen mit KollegInnen geführt werden.
Auch die Werkstore sind keineswegs heilig. Gerade in der Metallindustrie ist die just-in-time-Produktion sehr beliebt, also die Produktion auf Abruf. Dementsprechend sind oft nur Rohstoffe für wenige Tage gelagert – eine Blockade des Werks während des Streiks garantiert also nicht nur ruhigere Schichten in den Tagen nach den Streiks, sondern auch deutlich-spürbare Einbußen für die Bosse.
Es wäre nun also deutlich an der Zeit, dass die Gewerkschaften die Stimmung aus den Betrieben ernst nimmt. Von allein wird sie das nicht tun, denn sie ist Teil der sozialpartnerschaftlichen Logik. Die KollegInnen in den Betrieben haben aus dem MetallerInnenstreik allerdings etwas Wichtiges gelernt, nämlich dass sogar mit verhältnismäßig kurzen Streiks ein verhältnismäßig gutes Ergebnis zu erzielen ist.
Auf diese Erfahrung sollten wir aufbauen. Denn wenn wir wollen, dass sich etwas bewegt, dann können wir nicht auf die Führung der Gewerkschaften vertrauen. Wenn wir wollen, dass sich etwas bewegt, werden wir selbst etwas bewegen müssen!