Zwei jüngst in Österreich erschienene Studien zeigen: Immer mehr junge Menschen sind verschuldet und die Zahl der Privatinsolvenzen, gerade bei den Mitte 20jährigen, steigt an. Gleichzeitig meinen viele junge Menschen, dass Armut durch Faulheit zu erklären sei und vertreten rechte Ideen. Existenzängste haben jedoch fast alle. Einige Überlegungen
Aus jüngst veröffentlichten Daten des Alpenländischen Kreditorenverbands (AKV) geht hervor, dass die Privatinsolvenzen heuer um 6,3% (auf knapp 11.000 Anträge) gestiegen sein sollen. Darunter befänden sich immer mehr Mitte 20jährige. Als Gründe werden einerseits Ausgaben für Handy, Versand und Auto und andererseits unter anderem die gestiegenen Lebensmittelpreise genannt. Dem wohl zentralsten Grund wird jedoch offensichtlich keine Aufmerksamkeit geschenkt: die mittlerweile seit Jahrzehnten sinkenden Reallöhne. Denn: wer genug Geld zur Verfügung hat, kann auch nicht so leicht Schulden anhäufen.
Große Verunsicherung
Ebenso aktuell ist eine Studie des Instituts für Jugendkulturforschung, bei der 16 bis 19jährige WienerInnen befragt wurden. Eine wichtige Erkenntnis daraus ist, dass die Jugend stark verunsichert ist und somit der Wunsch nach Sicherheit sehr groß ist. Diese, gerade angesichts der sich wieder rasch vertiefenden Wirtschaftskrise, völlig verständlichen und logischen Ängste führen jedoch zu äußerst fragwürdigen Schlussfolgerungen.
Anstatt gemeinsam für Verbesserungen zu kämpfen, denkt die Mehrheit der Jugendlichen in die andere Richtung: viele sind auf sich selber und ihren eigenen Erfolg konzentriert. Das neoliberale Leistungsdenken haben scheinbar sehr viele verinnerlicht. Die Studienleiterin fasst die Ergebnisse daher mit dem Sprichwort zusammen: jeder ist seines/ihres eigenen Glückes Schmied.
Diese Einstellung unter vielen Jugendlichen führt auch dazu, dass fast 40 Prozent meinen, dass jene, die arm sind, auch faul seien – und daher selber schuld ist. Nur rund 20 Prozent sehen Armut als Ausdruck der Ungerechtigkeit in der Gesellschaft.
Weiters denken viele, dass die Zuwanderung ein Problem sei – die MigrantInnen werden, vor dem Hintergrund der Ängste um die eigene Existenz, als Konkurrenz wahrgenommen. So vertreten rund 40 Prozent die Absicht, dass in Österreich zu viele Türken leben würden. Und viele sympathisieren mit rechten – und sogar dezidiert rechtsextremen – Gedanken. Das zeigen auch andere Studien: die FPÖ ist unter Jugendlichen besonders stark. Dennoch meinen viele, dass sie mit Politik nichts am Hut haben und damit möglichst wenig zu tun haben wollen.
Was heißt das jetzt aber eigentlich?
Die weit verbreiteten Existenzängste sind völlig berechtigt und real. In anderen EU-Ländern (etwa Spanien, Italien, Griechenland…) gibt es eine Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 50 Prozent – und die Wirtschaftsaussichten werden immer trüber. Dass vielen Jugendlichen (aber sicherlich nicht nur ihnen) der eigene Erfolg wichtig ist und sie dafür auch „Leistung“ bringen wollen, ist vor diesem Hintergrund auch verständlich. Denn die Arbeitsmarktsituation wird immer schlechter und die Jobs werden immer mieser (sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Bezahlung). Für viele Jugendliche ist der „Ausweg“ daraus aber wohl ein individueller: sich mehr gefallen lassen, mehr „Leistung“ bringen und die „Konkurrenz“ überbieten oder nicht ins Land lassen.
Dass viele diesen Weg wählen, hängt natürlich auch mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Kräfteverhältnissen zusammen: im Neoliberalismus der letzten Jahrzehnte wurde uns allen genau das durch Medien, Chefs, Politik und Schulen eingehämmert.
Linke und linksradikale Organisationen und Ideen, die dem etwas entgegenhalten könnten, sind relativ schwach. Und auch reformistische Organisationen der ArbeiterInnenbewegung, wie etwa Gewerkschaften, die zumindest grundsätzlich von Solidarität und Ungerechtigkeit reden, verlieren immer mehr an Bedeutung.
Auch das ist verständlich: anstatt der neoliberalen Offensive der KapitalistInnen und ihrer PolitikerInnen (mit Sozialabbau, Sparpakten, Reallohnverlusten und Individualismus) entgegenzutreten, sind sie, ganz in ihrer Verhandlungslogik, schrittweise davor zurückgewichen. Und auch jetzt in der Krise, sind sie zahnlos wie eh und je. Anstatt der rechten Hetze richtig entgegenzutreten, stimmen auch sie in den nationalistischen Kanon vom „Wirtschaftsstandort Österreich“ ein.
Alternativen anbieten und aufbauen
Die Studienergebnisse sollten uns zu denken geben, zeigen sie doch, wie viel Gehör die rechte Hetze und das Märchen von der „Faulheit“ (der Armen) gefunden haben. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass viele solchen Ideen auch aus Mangel an Alternativen anhängen.
Unsere Aufgabe muss es sein, den Jugendlichen und Lohnabhängigen eine wirkliche Alternative anzubieten. Das bedeutet aus der falschen Logik des Kapitalismus auszubrechen – und die Konkurrenz unter den lohnabhängigen Massen anzuprangern und zu überwinden. Der im Kapitalismus begründeten Ellbogengesellschaft können wir nur durch gemeinsames, solidarisches Handeln entgegentreten.