Blumen, Kochtopf und ein Gutschein – ein Kommentar zum Muttertag

Auch heuer werden wieder Blumen, Küchengeräte, Gutscheine für einige Stunden Hausarbeitshilfe und Selbstgebasteltes den lieben Muttis übergeben. Die Anerkennung an diesem Tag erweckt den Eindruck, es handle sich um einen gut etablierten Beruf mit hohem Ansehen in allen Kreisen. Doch die Ehrung und Wertschätzung der Mütter hält sich abseits des zweiten Maisonntags in Grenzen.

Lange Zeit war es ein Rätsel. Wie werden neue Menschen geschaffen? Fest stand nur: Sie werden von Frauen geboren. Naheliegend war daher, die Frau als – zumindest potentielle – Mutter zu ehren. Diese Ehrung wurde in die jeweilige Religion eingebaut und Mutter- oder Fruchtbarkeitsgöttinnen wurden geschaffen. So ehrten die GriechInnen Rhea, die RömerInnen Kybele sowie die GermanInnen die Göttin Rigani. Im alten Ägypten war es Isis, die für ihre Fruchtbarkeit und Mutterschaft verehrt wurde.

Ehrentag

Mutterehrungen ziehen sich durch die gesamte Geschichte. Immer wieder gab es Riten, Kulte, Religionen oder Kalendertage, die speziell dem Dank an die Mütter gewindmet waren. So führte Heinrich der Dritte (1216-1239) den "Mothering Day" ein, um die "Mutter Kirche" zu ehren. In der Bevölkerung entstand daraus allerdings bald ein Tag, an dem die Kinder zu ihren Müttern auf Besuch kamen und kleine Geschenke und Aufmerksamkeiten als Dank mitbrachten.

Der erfolgreichste Versuch eine Muttertagstradition zu etablieren, ging allerdings dann Jahrhunderte später von Anna Jarvis aus. Als eines von 11 Kindern, feierte sie erstmals 1907 den Todestag ihrer Mutter Ann Marie Reeves Jarvis (gestorben am 8. Mai 1905), die sich selbst bereits für Frieden eingesetzt hatte. Jervis forderte durchaus auch dazu auf, Geschenke zu machen, doch kritisierte sie schon bald die Kommerzialisierung des Gedenk- und Danktages. Bereits ein Jahr nach der ersten Feier bekam das Fest einen Namen: "General Memorial Day Of All Mothers" und wurde 1910 in West-Virginia zum Feiertag und 1914 von Woodrow Wilson zum Staatsfeiertag erhoben. Wohl ein Zugeständnis an die gestärkte Frauenbewegung im Zuge des herannahenden Ersten Weltkrieg, in dem wieder viele männliche Familienangehörige fallen würden und bereits die Frauen im Vorfeld darin bestärkt werden sollten, dass dies ein richtiger, gottgewollter Weg sei.

1917 wurde diese – nun amerikanische – Tradition, beginnend mit der Schweiz, über Norwegen und Schweden nach Europa (zurück)gebracht. In vielen Ländern gab es bereits Traditionen der Mutterehrung, die sich wieder verliefen oder nicht mehr gepflegt wurden, wie etwa in Frankreich, wo bereits Ende des 19. Jahrhunderts große Mutterehrungen stattfanden, um einem möglichen Geburtenrückgang entgegenzuwirken. In Deutschland wird die Einführung des Muttertages oft den Nazis zugeschrieben, doch den tatsächlichen Startschuss gaben in Deutschland die BlumenhändlerInnen bereits 1922. Sie erkannten, dass dieses Fest ihnen wieder zusätzlichen Umsatz bringen würde. Mit heute annähernd 6 Millionen Blumeneinkäufen rund um den Muttertag allein in Deutschland würden deren Erwartungen vermutlich sogar übertroffen.

NS-Propaganda

Doch wäre in Deutschland die Idee des Muttertages noch nicht vorhanden gewesen bzw. noch nicht umgesetzt, so hätten die Nazis ihn wohl erfunden, so gut passt diese in deren Frauenbild. Frauen als Mütter – die einzige Frau, die es zu ehren gilt. Doch betrieben die Nazis – ähnlich wie in Österreich die AustrofaschistInnen – einen regelrechten Kult um den Muttertag, so wurde dieser 1933 zum Nationalfeiertag erhoben. Ab 1939 war von "Mütterehrungsfeiern" die Rede. Auch die Form, wie dieses Fest zu begehen sei, war vom Propagandaministerium ab 1942 vorgegeben. Um schlussendlich fast alle Frauen in diese Ehrungsfeierlichkeiten einbeziehen zu können, und ihre (falsche) Opferbereitschaft zu stärken, wurden neben der Vergabe des "Ehrenkreuz der deutschen Mutter" – das sogenannte Mutterkreuz – ab 1943 auch Frauen geehrt, deren Kinder oder Mann im Krieg oder bei Bombenangriffen ums Leben kamen.

Dank für das Schweigen

Die Funktion des Muttertages ist klar. Der deutsche Ex-Bundeskanzler, Helmut Kohl, meinte 1982 in einem Interview: "Meine Hochachtung unseren Müttern, die ein Leben lang ihre Pflicht getan haben, ohne zu protestieren". Diesen Missstand des "Nichtprotestierens" erkannten auch Frauen, so nahmen sich – besonders in den 70er und 80er Jahren – Frauengruppen speziell dieser Problematik an, veröffentlichten Schriften und organisierten Aktionen rund um die Rolle des Muttertages (Ein Muttertagspamphlet siehe Kasten). Beispielsweise riefen in Deutschland 213 in der Öffentlichkeit bekannte Frauen am Muttertag 1984 unter dem Motto "Nicht Blumen – Rechte wollen wir haben" dazu auf, an einer Demonstration gegen den Rechtskurs der Bundesregierung und für die Verteidigung von Frauenrechten teilzunehmen. 15.000 Frauen beteiligten sich an diesem progressivem "Muttertagsfest".

Vorbehalte gegen ein Fest, bei dem Frauen ausschließlich in ihrer Rolle als Mutter gehuldigt wird, sind kaum vorhanden. So stehen laut einer Umfrage aus Deutschland aus dem Jahr 2003, die in ihren Ergebnissen zweifellos auf Österreich umlegbar ist, 83% der befragten Männer und 76% der befragten Frauen dem Muttertag positiv gegenüber. Hinter die Fassade des Muttertages wird kaum geblickt. Ein Fundament, das weiterhin Mutter- und in Folge auch ganz bestimmte Frauenbilder- und ideale schafft und reproduziert, wird nicht gesehen und auch nicht hinterfragt.

An diesen Fundamenten der bürgerlichen Ordnung gilt es anzusetzen: Da, wo Aufgaben nicht gesellschaftlich übernommen werden können, müssen alle im Haushalt Lebenden ihren Teil zur Arbeit beitragen. Letztlich können aber eine Fülle von Aufgaben gesellschaftlich organisiert werden, um so die Frauen zu entlasten. Kindererziehung und die Arbeit im Haushalt müssen in möglichst großen Ausmaß von der Gesellschaft übernommen werden. Notwendig sind ausreichende Kindergartenplätze, Ganztagesschulen, aber auch Möglichkeiten zum gemeinsamen Einkauf und zur gemeinsamen Nahrungsversorgung. Denn hier sind die realen Hemmschuhe für viele Frauen, um sich am gesellschaftlichen und sozialen Leben zu beteiligen. Der konsequente Kampf für ein anderes Frauen- und Familienbild ist also das beste Geschenk, das wir Frauen am Muttertag machen können.

Zum Muttertag Moncherie…

Zum Muttertag bekommen wir einen Blumen- und Kochtopf und eine Schachtel Moncherie…

· damit wir Kinder in eine kinderfeindliche Welt setzen und nicht die Abschaffung des § 218 fordern;(1)
· damit wir uns als einzige für die Kindererziehung abrackern, und nicht fragen, warum es so wenige und schlechte Kindergärten und Spielplätze gibt;
· damit wir uns für die schulischen Misserfolge unserer Kinder verantwortlich fühlen und nicht fragen, was für ein Schulsystem das ist, welches den Kindern die Freude am Lernen und Leben austreibt;
· damit wir nachmittags die Hausaufgaben beaufsichtigen und nicht fragen, wozu die nötig sind, und was mit den Kindern passiert, deren Mütter das nicht können;
· damit wir uns der Doppelbelastung von Beruf und Haushalt unterwerfen, und nicht fragen, warum wir 20-30% weniger Geld für unsere Arbeit bekommen als die Männer;
· damit wir ein schlechtes Gewissen haben, wenn wir arbeiten gehen aus Angst, unsere Familie zu vernachlässigen, und nicht verlangen dass der Mann seinen Teil bei der Hausarbeit leistet;
· damit wir Vati fit machen für den Betrieb und nicht fragen, warum er da kaputtgemacht wird;
· damit wir Unsummen für Schönheitsmittel ausgeben und nicht fragen, warum wir zum Konsumobjekt herabgewürdigt werden;
· damit wir Klosterfraumelissengeist löffeln und nicht fragen, wer und was uns körperlich und seelisch kaputtmacht;
· damit wir unmögliche Verhältnisse möglich machen und nicht fragen, nicht denken, nichts verändern!!!

Wir haben es satt, einen Tag im Jahr zu einer billigen Mutterideologie und Konsumsteigerung herzuhalten!
Wir haben es satt, uns unter dem Deckmantel der Mutterverehrung ausbeuten zu lassen!
Wir haben es satt, uns Schönheitsideale von kommerziellen Interessen aufzwingen zu lassen und den weiblichen Körper als Reklamegag verwertet zu sehen!

WIR FORDERN ein Ende der Doppelbelastung der Frau im Haushalt und Beruf, und daher fordern wir Bedingungen, die es der Frau ermöglichen, einem Beruf nachzugehen, ohne, dass sie sich noch im Haushalt zusätzlich abrackern muß!

WIR FORDERN:
· Volle Mitverantwortung der Männer bei Haushalt und Kindererziehung!
· Ausreichende und gute Kindergartenplätze!
· Für alle Frauen Löhne, die es ihnen ermöglichen, eine Familie zu ernähren!
· Sofortige Abschaffung des § 218!
· Eine menschliche medizinische Versorgung, Schwangerschaftsabbruch und Verhütungsmittel auf Krankenschein!

Flugblatt Frauengruppe Heidelberg, 1971

(1) "Abtreibungsverbotsparagraph" in Deutschland.