In der Linken gibt es unterschiedliche politische Ansätze und Ideen. Hier sollen einige dieser Strategien und Positionen diskutiert, sowie die bestehenden politischen Kräfteverhältnisse analysiert werden. Ebenso wollen wir unsere politischen Erfahrungen teilen und unsere eigenen Vorschläge machen, welche Perspektiven wir für geeignet und notwendig halten. Denn erfolgreicher Widerstand braucht die richtigen Konzepte.
Die Ausgangssituation ist schwierig: die Linke ist momentan schwach und weitgehend isoliert; gerade auch im deutschsprachigen Raum. Radikale Ideen und Kräfte verfügen über kaum eine Verankerung, am Wenigsten in der ArbeiterInnenklasse selbst. Gleichzeitig sind in der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Krise des Kapitalismus revolutionäre antikapitalistische Ideen notwendig wie kaum jemals zuvor. Gerade deswegen ist es notwendig, aus den bisherigen Erfahrungen zu lernen, diese zu diskutieren und sich Gedanken darüber zu machen, wie diese Situation überwunden werden kann und wie nicht. Für uns ist das Kriterium dabei nicht nur, ob es gelingt Verbesserungen zu erkämpfen bzw. Verschlechterungen zu verhindern, sondern ob es gelingt eine Verbindung mit der revolutionären Überwindung des Kapitalismus und dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft herzustellen. Denn wir brauchen keine Neuauflage eines gescheiterten sozialdemokratischen Reformismus, sondern eine wirkliche Alternative.
I.) Sozialdemokratie, Rechtsruck und das „kleinere Übel“
Sozialdemokratie: neoliberale Mitverwaltung des krisenhaften Kapitalismus
Sozialdemokratische Parteien waren in vielen Ländern (v.a. Mittel- und Westeuropas) für lange Zeit die größten Organisationen der ArbeiterInnenbewegung und der Linken. Historisch war die Herausbildung der ArbeiterInnenbewegung sehr eng mit dem Entstehen sozialdemokratischer Organisationen verbunden. Auch wenn ihre Bedeutung und Größe zurückgeht, spielen sie heute noch immer eine Rolle. Heutzutage werden jedoch keine progressiven Reformen mehr umgesetzt, sondern federführend die neoliberale Verwaltung des krisenhaften Kapitalismus mitorganisiert. Mit dieser Kürzungspolitik haben sie den Boden für den Aufstieg von rechten Parteien mitaufbereitet.
Die Sozialdemokratien beteiligen sich seit Jahrzehnten munter am neoliberalen Umbau der Gesellschaft, weil sie sich den kapitalistischen Sachzwängen (wie z.B. dem internationalen Standortwettbewerb) untergeordnet haben. In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg konnten sie dennoch, vor dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Booms, der sowjetischen Systemkonkurrenz und einer starken ArbeiterInnenbewegung, progressive Reformen durchsetzen. In Zeiten einer globalen kapitalistischen (Überakkumulations-)Krise gibt es aber nur mehr sehr wenig Spielraum für reformistische Politik. Zudem erlauben die Kräfteverhältnisse den Herrschenden ihre Angriffe, ohne dass es eine angemessene Gegenwehr geben würde, auch durchzusetzen.
In der kapitalistischen Logik gefangen und materiell an die kapitalistische Produktionsweise und den bürgerlichen Staat gebunden, ist von diesen bürokratisierten Systemparteien keine andere Politik zu erwarten. Daher wäre es auch naiv anzunehmen, man müsse nur das Führungspersonal der Sozialdemokratie austauschen um die Probleme zu lösen. Dennoch kann es sein, dass einzelne Führungspersonen, wie etwa Jeremy Corbyn in Großbritannien oder Bernie Sanders in den USA, eine Dynamik auslösen, vor deren Basis die Linke die Augen nicht verschließen darf.
Der Versuch innerhalb der SPÖ einen linken Flügel aufzubauen ist zum Scheitern verurteilt. Wird darauf gesetztdie „Basismitglieder“ zu überzeugen, steht man vor dem Problem, dass bürokratische Apparate sich ja gerade dadurch auszeichnen, dass sie sich nicht auf eine aktive Basis stützen. Zwar gibt es noch zehntausende Menschen, die sich noch immer mit der Sozialdemokratie identifizieren und hunderttausende, die sie regelmäßig wählen, aber es gibt keine kritische Masse von Basismitgliedern, die sich regelmäßig in der SPÖ engagieren und (nur) dort erreicht werden könnten und vor allem bereit wären mit der SPÖ zu brechen. Zudem brechen der Partei sowohl die Mitglieder als auch die Unterstützung bei Wahlen immer weiter weg. Kontakt mit kritischen und kämpferischen SozialdemokratInnen lässt sich zudem nicht nur innerhalb der Parteistrukturen herstellen, sie sind vielmehr auch in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, Arbeitskämpfen und Demonstrationen anzutreffen.
Die Perspektive FunktionärInnen oder SPÖ-nahe GewerkschafterInnen – von der „richtigen“ Politik – zu überzeugen muss in einer Sackgasse enden. Dass sie Politik im Sinne des Kapitals betreiben hat nicht mit falschen Ideen zu tun, die sich durch die richtigen Argumente so einfach ändern ließen, sondern ergibt sich notwendig durch deren Einbindung in den Kapitalismus und die damit einhergehende StellvertreterInnen- und Standortlogik. Sie sind weder willens noch gewöhnt zu kämpfen, sondern in einer bürokratischen Logik der Mitverwaltung des Kapitalismus gefangen. Selbst linke und kritische Individuen sind mit der Zeit oft materiell, sozial und politisch an diese Institutionen gebunden. Um innerhalb der Strukturen verbleiben zu können, kommt es meistens zu opportunistischen Anpassungen und nicht selten auch zu einer Zusammenarbeit mit der Bürokratie gegen aufmüpfige Teile der Basis. Es ist eine Illusion zu glauben, ein linker Flügel könnte innerhalb dieser Apparate eine andere Politik vertreten und vor allem umsetzen. Wenn die Radikalität sich nicht auf Reden und irgendwelche Beschlüsse beschränken soll, sondern mit einer kämpferischen Praxis die Apparate tatsächlich herausfordert, ist die Antwort der Bürokratie schnell und unerbittlich. Unter den Bedingungen von zugespitzten gesellschaftlichen Kämpfen kann es tatsächlich sein, dass ein linker Flügel sich von der Sozialdemokratie abwendet – das ist aber etwas anderes als sich heute auf kritische Teile innerhalb dieser Apparate zu orientieren.
Die politische Basis eines solchen linken Flügels bleibt in den meisten Fällen sehr vage und beschränkt sich in der Regel auf einen kleinsten gemeinsamen linksreformistischen Nenner. Dieser ist vielleicht tatsächlich linker als die Gesamtpartei, kann aber auch keine wirkliche Alternative anbieten. Dass sich ein solches Projekt zu einem späteren Zeitpunkt so einfach radikalisieren wird und zu einer anderen politischen Praxis findet, ist auch keinesfalls ausgemacht. Des Weiteren hat ein gewisses Ausmaß von kritischen, linken Kräften in diesen Apparaten eine Funktion für die Bürokratie, denn es bindet potentiell radikale Kräfte an den Reformismus und behindert die Schaffung eines kämpferischen Pols außerhalb. In Österreich hat die Einbindung von linken und kritischen Kräften in die Sozialdemokratie eine lange Geschichte und ist besonders ausgeprägt. Dadurch wurde bereits in der Zwischenkriegszeit die Herausbildung einer relevanten radikalen Kraft, links der SPÖ, verhindert. Im Verlauf der zunehmenden Zuspitzung der Konflikte mit dem Austrofaschismus (die letztlich mit dessen Sieg über die ArbeiterInnenbewegung im Februar 1934 endete), wurde das Fehlen einer eigenständigen radikalen Kraft, die der zurückweichenden Haltung der sozialdemokratischen Führung eine kämpferische Alternative entgegenstellen hätte können, besonders deutlich.
Die Geschichte der Sozialdemokratie zeigt, dass kritische Stimmen oder Flügel sich sehr häufig rasch wieder einbinden lassen. Die SPÖ hat es bereits unzählige Male geschafft über die Inszenierung eines vermeintlichen „Linksrucks“ Sympathien zu gewinnen und KritikerInnen einzubinden – fast jedes Mal, wenn es einen neuen Vorsitzenden gibt. Fast immer sind diese Hoffnungen nach wenigen Monaten, wenn die SPÖ dann die nächsten Angriffe und Kürzungen mitbeschließt, wieder enttäuscht. Das alles ist sehr wenig überraschend – funktioniert aber so lange, wie sich ehrliche Linke nicht dazu durchringen können, etwas Eigenständiges aufzubauen.
Linke AktivistInnen dürfen sich nicht selbst in der StellvertreterInnenlogik gefangen nehmen lassen und glauben, dass es ohne „MultiplikatorInnen“ (wie FunktionärInnen, GewerkschafterInnen oder BetriebsrätInnen), die in vielen Fällen ohnehin Generäle ohne Armee sind, nicht geht. Es kann gut sein, dass in Zukunft ehrliche Basismitglieder, BetriebsrätInnen, GewerkschafterInnen oder einzelne Partei-FunktionärInnen wegbrechen und nach links gehen. Wenn sich die Linke jedoch darauf beschränkt darauf zu warten bis in diesen Apparaten etwas in Bewegung kommt, statt ihre Energie dafür verwendet eine wirkliche Alternative aufzubauen, wird die Bedeutung und Alternativlosigkeit dieser bürokratischen Institutionen zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Zudem ersetzt das Beeinflussen oder Gewinnen von Personen in „Schlüsselpositionen“ nicht den Aufbau einer wirklichen Verankerung. Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Zuspitzung innerhalb von Sozialdemokratie und Gewerkschaft, einen Bruch nach links unterstützen zu können, ist wesentlich größer, wenn es bereits eine gut organisierte, kämpferische und unabhängige linke Kraft gibt, die tatsächlich für eine politische Alternative in Theorie und Praxis steht.
Gewerkschaften: gefangen in StellvertreterInnen- und Standortlogik
Die Situation in den Gewerkschaften ist diesem Bild sehr ähnlich. In fast allen Ländern sind sie von reformistischen Bürokratien beherrscht, die durch Privilegien an den Kapitalismus gebunden sind und dementsprechend im Sinne der herrschenden Klasse agieren. In Österreich dominiert die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG), die über enge Verbindungen mit der SPÖ verfügt, den Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Diese Bürokratien haben die kapitalistische Standortlogik verinnerlicht und betreiben vor allem eine Politik der Schadensbegrenzung für die besser gestellten Teile der ArbeiterInnenklasse des jeweiligen Landes. Da die sozialdemokratischen GewerkschafterInnen zur Durchsetzung ihrer Forderungen lieber auf MinisterInnen aus den Reihen der SPÖ und ein gutes Auskommen mit ihnen setzen, als auf ihre Mitglieder in den Betrieben, ist ihre Politik eher eine Rechtfertigung der Regierung, als konsequente Opposition dagegen.
Schon in den letzten Jahrzehnten sind sie vor den neoliberalen Angriffen immer weiter zurückgewichen, haben diverse Verschlechterungen mitverwaltet und diese den ArbeiterInnen als unvermeidliches kleineres Übel verkauft. Die reformistisch geprägten Apparate der Gewerkschaften stehen somit auch den Auswirkungen der Krise hilflos gegenüber. Statt auf Massenmobilisierung zu setzen um die Angriffe zumindest zurückzuschlagen (wenn sie schon nicht offensive Kämpfe führen), klammern sie sich an die Illusion eines neuerlichen wirtschaftlichen Aufschwunges, für den aber erstmal Opfer gebracht werden müssen.
Wenn die BürokratInnen tatsächlich Kampfmaßnahmen organisieren, steht dahinter meist der Druck der eigenen Basis oder die Angst um den Verlust eigener Privilegien. Das Ziel erschöpft sich dann meist darin bei den angekündigten Maßnahmen „nachzubessern“. Mit kleinen Zugeständnissen soll so die eigene Basis ruhig und unmündig gehalten werden. In solchen „Kämpfen“ werden weder die sozialpartnerschaftliche Mitverwaltung des Kapitalismus noch die bürokratische StellvertreterInnenlogik in Frage gestellt.
Heute versagen die reformistischen Kräfte, bedingt durch ihre Standortlogik und die Ausrichtung auf Verhandlungen, selbst im Führen von elementaren Abwehrkämpfen. Damit eröffnen sich jedoch auch Möglichkeiten für radikale Kräfte bereits in „Tageskämpfen“ die Notwendigkeit für einen Bruch mit diesen Logiken sowie weitergehende Perspektiven aufzuzeigen und gemeinsame Erfahrungen mit der realen ArbeiterInnenklasse zu machen.
Rechtsruck und das „kleinere Übel“
In den letzten Jahren haben in mehr und mehr Ländern recht(sextrem)e Kräfte und rassistische Stimmungen zunehmend an Stärke gewonnen. Das ist nicht nur für MigrantInnen, sondern für alle Lohnabhängigen, Unterdrückten und linke Menschen eine bedrohliche Entwicklung. Viele Linke sehen daher die Bekämpfung des Rechtsrucks als eine der wichtigsten Aufgaben an. Das ist grundsätzlich nicht falsch, die dominanten Strategien heute beschränken sich in vielen Fällen allerdings auf die Unterstützung des vermeintlich „kleineren Übels“.
Die erste Frage sollte lauten: Wie konnte die Rechte überhaupt so stark werden? Natürlich würde man es sich zu einfach machen mit der Einschätzung, ArbeiterInnen würden nur FPÖ wählen, weil sie wütend auf den Sozialabbau der SPÖ sind. Sie wählen die FPÖ (auch) wegen ihres Rassismus, weil sie oftmals einfach rassistische Einstellungen haben. Das nicht zu sagen, würde die Situation verharmlosen.
Dennoch kann der Aufstieg der Rechten nur im Kontext der neoliberalen Angriffe der letzten Jahrzehnte und der damit einhergehenden zunehmenden Verschlechterung der Lebensverhältnisse und Zukunftsperspektiven verstanden werden. Mehr und mehr Menschen sind zu Recht wütend, für viele erscheint die Wahlentscheidung für eine rechtsextreme Partei als einziges Mittel sich Gehör zu verschaffen und „denen da oben“ – zumindest irgendwie – auf die Nerven zu gehen. Zunehmend werden auch die vormals „eigenen“ Parteien und Vertretungen als Teil des verhassten Establishments empfunden – und das völlig zu Recht. Seit Jahrzehnten sind sie vor allem damit beschäftigt ihre Plätze an der Sonne der Mitverwaltung des Kapitalismus zu sichern und aufrechtzuerhalten. Und während Parteien wie SPÖ und ÖVP (aber auch die Grünen) sich politisch-korrekt „gegen Rassismus“ aussprechen, sind es sie, die die meisten rassistischen Gesetze oder deren Verschärfung beschlossen und umgesetzt haben.
Die Stärke der Rechten und Rechtsextremen kann zudem nur vor dem Hintergrund der Schwäche der Linken und dem damit entstandenen politischen Vakuum verstanden werden. In den Nachkriegsjahrzehnten war die Situation noch eine andere. Auf Grundlage des wirtschaftlichen Aufschwungs konnten sozialdemokratische und andere reformistische Apparate mit ihrem Konzept der sozialpartnerschaftlichen Mitverwaltung progressive Reformen auf den Weg bringen und sich so eine dominante Stellung in der ArbeiterInnenbewegung sichern. Mit dem Übergang in krisenhaftere Zeiten und zu neoliberalen Antworten verliert der Reformismus aber zunehmend seine Basis und Existenzberechtigung. Für die Herrschenden hatte dieser auch immer die Funktion, im Austausch für materielle Zugeständnisse, für Ruhe und Ordnung innerhalb der ArbeiterInnenklasse zu sorgen.
Heute verfügt die ArbeiterInnenklasse, nach jahrzehntelanger Passivierung und sozialpartnerschaftlicher Bevormundung, allerdings nur über sehr wenig Kampfgeist und -erfahrungen, sowie über kaum eigenständige Strukturen. Das Kräfteverhältnis hat sich so zunehmend zu Gunsten der Herrschenden verschoben, womit diese auch immer weniger Veranlassung haben mit Zugeständnissen eine sozialpartnerschaftliche Einbindung zu organisieren und Kämpfe nieder zu halten. Es gibt daher heute kein zurück mehr zu dem vermeintlich „Goldenen Zeitalter“, wo die Sozialpartnerschaft noch „funktioniert“ hat – das wäre zudem auch überhaupt kein Fortschritt.
Dass die Sozialdemokratie so dominant werden konnte, dass ihr Abstieg ein politisches Vakuum auf der Linken hinterlässt, und damit mangels Alternativen den Aufstieg der Rechten befeuert, hat auch mit dem Versäumnis radikalerer Kräfte zu tun, abseits der reformistischen Apparate etwas Eigenständiges aufzubauen. Wer damals (wie heute) behauptet hat, dass es keine Alternative zu den reformistischen Apparaten gibt, muss sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass eine linke Alternative heute notwendiger wäre denn je. Diesen Fehler heute zu wiederholen wird weder einen Linksruck noch eine Verhinderung des Rechtsrucks zur Folge haben. Im Gegenteil: vielmehr wird der bisherige Weg weiter fortgesetzt werden und Zeit verschwendet, die man für den Aufbau von einer unabhängigen Kraft nutzen könnte. Es ist schon ironisch, wie sehr die vermeintliche „Alternativlosigkeit“ neoliberaler Politik mit der vermeintlichen „Alternativlosigkeit“ (zu den reformistischen Apparaten) einhergeht. Fast als wären sie zwei Seiten derselben Medaille…
Die vorherrschenden Strategien „gegen rechts“ tragen dieser Situation und den Gründen für den Aufstieg der Rechten in keinster Weise Rechnung. Aus Mangel an Alternativen erschöpft sich die Politik dann häufig in der Unterstützung etablierter Parteien als dem vermeintlich „kleineren Übel“. Statt am Aufbau wirklicher Alternativen mitzuwirken, werden dann erst recht wieder die Systemparteien, die mit ihrer Politik für den Aufstieg der Rechten verantwortlich sind, unterstützt – und ihre „Alternativlosigkeit“ wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Zudem werden Wahlen dann schnell zum entscheidenden Schauplatz des Kampfes „gegen rechts“ stilisiert. Und das in einer Zeit, wo immer mehr Menschen merken, dass die bürgerliche Demokratie und ihre Wahlen nicht dafür geeignet sind, ihre Interessen durchzusetzen.
Unsere Antwort müsste vielmehr sein, radikale Alternativen zu formulieren, die den Rahmen der bürgerlichen Demokratie sprengen – und nicht, sich zum Anhängsel von etablierten Parteien zu machen. Insgesamt ist die Politik, jene Kräfte zu unterstützen, die seit Jahrzehnten selbst rassistische Politik betreiben und den staatlichen Rassismus federführend mitbeschließen, zum Scheitern verurteilt. Nicht selten werden dann noch dazu eigene, radikalere Forderungen und notwendige Kritik an den etablierten Parteien zurückgestellt, um ein Bündnis nicht zu gefährden und eine „breite Front gegen rechts“ zu ermöglichen.
Die Linke darf sich auch nicht, angesichts der realen Gefahren, die von der Rechtsentwicklung ausgehen und der Tatsache, dass dieser möglichst schnell etwas entgegengehalten werden muss, zu einer solchen Politik hinreißen lassen. Ja, die Zeit drängt. Aber deswegen den Aufbau einer wirklichen linken Alternative hinten anzustellen ist fatal, weil damit verpasst wird, eben eine solche zu schaffen. Der gesamte Aufstieg der FPÖ in den letzten drei Jahrzehnten war von einer solchen Strategie, eine Stärkung der FPÖ „jetzt“ zu verhindern, begleitet. Nur zu oft haben sich die SPÖ und die Grünen als Garant eben dafür inszeniert und somit Stimmen gewinnen können. Heute ist die FPÖ so stark wie noch nie, die SPÖ setzt selbst FPÖ-Maßnahmen um und die Grünen übernehmen immer öfter „Regierungsverantwortung“, beteiligen sich also mehr und mehr an der Mitverwaltung des Neoliberalismus. Die Parteien, die als das vermeintlich „kleinere Übel“ identifiziert werden, sind in dieser Zeit selbst immer weiter nach rechts gerückt und haben damit zur Akzeptanz von rassistischer Politik beigetragen. Sie setzen heute selbst Maßnahmen um, bei denen es, hätte sie die FPÖ vor Jahren auch nur gefordert, einen Aufschrei gegeben hätte. Sie haben damit dazu beigetragen, die Forderungen und die Diktion der FPÖ salonfähig zu machen.
In Österreich wurde so der gesamte Bundespräsidentschaftswahlkampf 2016 als die entscheidende Schlacht gegen die FPÖ und ihren Rassismus inszeniert. Nach dem Sieg von Alexander van der Bellen wurde schnell die Rechnung präsentiert: während bei vielen die Erleichterung noch angehalten hat, dass der rechtsextreme Kandidat Hofer nicht gewonnen hat, konnten SPÖ und ÖVP, im Schatten dieses vermeintlichen „Sieges“, mit dem neuen Arbeitsprogramm der Regierung fast unbemerkt zum Frontalangriff blasen. Dem nicht genug, hat die konservativ-patriotische Ausrichtung des Van der Bellen-Wahlkampfs („Heimat“, „Für unser Österreich“) ihren Beitrag zur vorherrschenden nationalistischen Stimmung geleistet. Genau auf Grundlage dieser Stimmung konnte die SPÖ-ÖVP Regierung weitere Verschärfungen des Asyl- und Fremdenrechts und andere rassistische Maßnahmen beschließen.
Viele ehrlich Empörte haben sich in der Logik gefangen nehmen lassen, dass selbst die Umsetzung von FPÖ-Maßnahmen (wie etwa im Arbeitsprogramm der Bundesregierung von Anfang 2017) nicht so schlimm ist, wenn bloß die FPÖ nicht an der Regierung ist. Van der Bellen, der angeblich Strache nicht als Kanzler angeloben würde, hat mit den gleichen rassistischen Maßnahmen, so lange sie von SPÖ und ÖVP kommen, offenbar kein Problem. Das ist die Logik des „kleineren Übels“ in ihrer sich vollendenden Form. So sieht die rassistische Praxis der politisch-korrekten Eliten aus. Wer auf diese Weise die FPÖ und ihren Rassismus stoppen will – und die Regierung dabei ungeschoren davon kommen lässt – hilft letztlich seinen eigenen Feinden.
Man sollte sich auch auf keine Spekulationen einlassen, dass die SPÖ mit diesen ganzen Maßnahmen in Wirklichkeit nur die WählerInnen von der FPÖ zurückgewinnen will, um dann, wenn sie wieder gestärkt ist, eine „linke“ Regierung (mit etwa Grünen und Neos) zu bilden. Weder wird die SPÖ ihre neoliberale Programmatik nach der nächsten Wahl ablegen, noch taugt die aktuelle Strategie FPÖ-Forderungen gleich selbst umzusetzen, als Mittel gegen die FPÖ. Diese Politik der Regierung wird zu einem Anstieg von Armut, Arbeits- und Perspektivlosigkeit führen. Das ist genau der Boden, auf dem Rassismus und Nationalismus bestens gedeihen. Und egal wer in der nächsten Regierung vertreten sein wird: diese wird dort weitermachen, wo die jetzige aufgehört hat.
Ein radikales Spektrum der Linken setzt im Kampf gegen rechts vor allem auf Demonstrationen und Mobilisierungen auf der Straße, teilweise auch auf eine direkte Konfrontation mit sowohl Nazis/Rechtsextremen als auch der Polizei. Auch wir beteiligen uns an relevanten Demonstrationen „gegen rechts“, weil sie ein wichtiges Mittel linker Gegenöffentlichkeit und ein wichtiger Schauplatz politischer Kämpfe außerhalb des engen Rahmens der etablierten Parteipolitik sind. Nicht zielführend ist jedoch sich von den Rechten den Rhythmus der eigenen Aktivitäten diktieren zu lassen und den Aufbau einer eigenständigen politischen Kraft dabei zu vernachlässigen. Wir denken auch, dass man sich keine falschen Hoffnungen über die Perspektiven dieser Art des Kampfes machen sollte. Wenn eine kleine, radikale Minderheit ihre Kräfte auf direkte Konfrontation ausrichtet, heißt das, dass man stellvertretend und als Mangel an breiten Kämpfen, eine Abwehrschlacht ohne eigenständige politische Perspektive führt.
Eine tatsächliche linke Alternative darf sich nicht in den offiziellen „antirassistischen“ Mainstream des Establishments integrieren lassen, sich auf Wahlergebnisse konzentrieren oder konfrontative Antifa-Demos als Hauptschauplatz wählen. Das Ziel muss sein die Lebenssituation der großen Mehrheit der Lohnabhängigen zu verbessern, möglichst viel Unterstützung für diese Perspektive zu bekommen und eine politische Kraft zu schaffen, die Menschen Hoffnung für eine solche Veränderung gibt. Wenn sich die politischen Kräfteverhältnisse nicht in diese Richtung ändern, werden rechte Ideen und Parteien weiterhin und potentiell immer mehr auf Unterstützung zählen können. Das heißt auch, dass die Linke den Kampf um die Herzen und Hirne auch von Menschen mit rassistischen Ideen nicht aufgeben darf. Einstellungen sind nicht in Stein gemeißelt. Und sie ändern sich leider meistens nicht durch Belehrungen von obergescheiten Linken (noch dazu wenn sie ins selbe moralische „Anti-Rassismus“-Horn des Establishments stoßen), sondern durch gemeinsame Aktivitäten (wie etwa Arbeitskämpfen) auf Augenhöhe. Wir wissen aus eigener Erfahrung in der betrieblichen Arbeit, dass es nicht wenige KollegInnen gibt, die einerseits regelmäßig und gerne linke Betriebsflugblätter lesen und sich andererseits über „die Ausländer“ aufregen. Mit diesen KollegInnen kann man aber diskutieren oder sogar gemeinsam aktiv sein – ohne seine eigene anti-rassistische, solidarische Haltung aufzugeben oder zu verleugnen. Das tun jedoch leider viel zu wenige Linke.
II.) Neue linke Parteien: Gefahren und Chancen
Es braucht also eine Alternative zu den etablierten Organisationen der ArbeiterInnenklasse und ihren Strategien von „Schadensbegrenzung“ und sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen. In den letzten Jahren haben in diversen Ländern „Linkspopulisten“ die politische Bühne betreten. Sie konnten vom politischen Vakuum, das im Zuge der Krise und der Erosion des Vertrauens in die etablierten Parteien entstanden ist, profitieren. In manchen Ländern haben sie sich aus den bestehenden Parteien oder Strukturen entwickelt (Bernie Sanders in den USA, Jeremy Corbyn in Großbritannien), in anderen Ländern sind neue linke Parteien entstanden, die in manchen Fällen den Sozialdemokratien den Rang als politische Hoffnungsträgerin der Linken und ArbeiterInnenklasse abgelaufen haben (zumindest kurzzeitig, wie etwa Syriza in Griechenland) oder zumindest das Potential dazu haben (zB Podemos in Spanien). Zudem gibt es in verschiedenen Ländern Versuche die (radikale) Linke unter dem Dach einer neuen Organisation/Partei zu vereinen. In Österreich gibt es mit „Aufbruch“ auch einen solchen Versuch, bei dem wir uns auch aktiv beteiligen. Welche Bedeutung haben diese neuen Parteien für die Linke? Welche Chancen und welche Gefahren ergeben sich daraus? Wie kann eine neue und gesellschaftlich relevante linke Kraft entstehen? Und wie müsste diese überhaupt aussehen, um uns vorwärts zu bringen?
Syriza: ein warnendes Beispiel
Nach dem Wahlsieg von Syriza waren bei vielen Linken die Hoffnungen groß, dass der neoliberalen Austeritätspolitik der EU-Elite nun endlich eine Alternative entgegengestellt wird. Nur ein paar Monate später wurde klar, dass im Wesentlichen die gleiche Kürzungspolitik wie vorher fortgesetzt wird – nur durch eine andere Partei. Der Grund dafür liegt nicht im individuellen Versagen von Parteichef Tsipras oder anderen FunktionärInnen, sondern vielmehr im Charakter von Syriza selbst. Insofern kann auch nicht wirklich von einem „Scheitern“ gesprochen werden, denn Syriza hatte niemals den engen Rahmen der EU und des neoliberalen Krisenmanagements grundsätzlich in Frage gestellt.
Die Schuld den dominanten Kräften innerhalb der EU in die Schuhe zu schieben, die Syriza keine Chance gegeben hätten, ist auch ziemlich witzlos. Dass deren Projekt eine neoliberale Austeritätspolitik ist, war von Anfang an klar. Und dass sie sich davon nicht so einfach abbringen lassen werden, zum Beispiel durch zahnlose Verhandlungen, genauso. Syriza hat deswegen keine ihrer Forderungen umsetzen können, weil es keine Bereitschaft gab mit der StellvertreterInnenlogik und den kapitalistischen „Sachzwängen“ zu brechen. Syriza ist damit nicht viel mehr als eine Kopie der Sozialdemokratien mit einer etwas radikaleren Rhetorik, die im Zuge der Krise von der Implosion der bestehenden politischen Parteien in Griechenland profitieren konnte.
Das Beispiel Syriza zeigt, dass auch eine neue linke Partei mit den kapitalistischen „Sachzwängen“ umgehen wird müssen, sonst droht ihr ein ähnliches Schicksal. Die Antwort kann nur sein, aus diesem Rahmen auszubrechen. Unsere Sorge darf nicht dem Wirtschaftswachstum und der Rückzahlung der Staatsschulden, sondern der Durchsetzung eines guten Lebens für alle gelten. Dafür wird es notwendig sein die herrschenden Eigentums- und Machtverhältnisse anzutasten. Das wird sich freilich nur gegen die heutigen dominanten Interessen der großen Konzerne und Banken und ihrer politischen VertreterInnen in der Regierung und den anderen Parteien durchsetzen lassen.
Daher ist es auch wenig überraschend, dass der Versuch, der Offensive des Kapitalismus aus dem Parlament entgegenzutreten, ganz offensichtlich nicht funktioniert. Statt in einer StellvertreterInnenlogik auf Verhandlungen zu setzen, bräuchte es viel mehr Massenmobilisierungen und den Aufbau von kampffähigen Strukturen. Statt ein „konstruktives Gesprächsklima“ mit den Mächtigen in der EU, braucht es den europaweiten Aufbau von praktischer Solidarität, Vernetzungen und gemeinsamen Kampfstrukturen.
Das alles bedeutet nicht, dass man – vor allem in Griechenland selbst – Syriza einfach nur kritisieren und links liegen lassen soll oder kann. Dass sie in kurzer Zeit zur Hoffnungsträgerin und Wahlsiegerin werden konnte zeigt, dass viele Menschen eine politische Alternative zur neoliberalen Kürzungslogik für notwendig halten. Für uns muss es darum gehen, an der Hoffnung und der Wut anzuknüpfen, zu erklären, warum die Politik von Syriza nicht funktionieren kann und unsere eigenen Vorschläge zu machen. Dabei dürfen wir uns nicht darauf beschränken einfach die „besseren“ Argumente zu haben und zu glauben, dass wir uns damit durchsetzen. Zentral ist in konkreten Kämpfen und dort wo Menschen in Bewegung kommen, präsent zu sein und dort mit unseren Erfahrungen und Ideen in der Praxis wirksam zu werden. Viele Linke haben selbst illusionäre Hoffnungen ins Projekt Syriza geschürt und sich in dieses integrieren lassen. Sie haben eine kompromisslose, radikale Linie aufgegeben bzw. zurückgestellt – und stehen nun mit leeren Händen da. Das erinnert doch sehr stark an die linken Flügel von SPÖ und Co. Das Beste an Syriza für die Linke ist somit vielleicht als eine Lehre zu fungieren, welche Strategien nicht funktionieren.
Nicht so viel anders sieht es mit anderen etablierten Parteien links der Sozialdemokratie, etwa „Die Linke“ in Deutschland, aus. Die politische Perspektive beschränkt sich letztlich darauf Teil einer Regierung zu werden und in der Mitverwaltung des Kapitalismus „noch Schlimmeres“ zu verhindern. Als Teil der rot-roten Berliner Stadtregierung wurden in der ersten Hälfte der 2000er, um Schulden zurückzahlen zu können, munter Energieversorgung und Wohnungen privatisiert. Durch den Bruch zentraler Wahlversprechen folgte der Absturz bei den nächsten Wahlen. Genutzt hat das alles nichts: heute ist „Die Linke“ wieder Teil der (rot-rot-grünen) Stadtregierung und weiterhin muss gekürzt werden, um den hohen Schuldenberg abzubauen. Der Unterschied zu Syriza besteht in erster Linie darin, dass „Die Linke“ nicht die stärkste Partei in einem südlichen EU-Land in einer zugespitzten Schuldenkrise ist. In einer solchen Situation könnte die Politik gar nicht anders aussehen, als jene von Syriza. Im Rahmen der kapitalistischen Sachzwänge gibt es letztlich keine linke Alternative.
Podemos: Sinnbild der sozialen und politischen Krise
In Spanien gibt es mit Podemos eine neue linke Partei, die nach wie vor Hoffnungsträgerin vieler Linken ist. Den Hintergrund für die Entstehung von Podemos stellt die 15M-Bewegung der „indignados“ (der Empörten) dar, die sich ab 2011 entwickelte und über mehrere Monate zentrale Plätze besetzt hielt. Die Bewegung war, gemeinsam mit Occupy Wall Street, der Besetzung des Syntagma-Platzes in Athen und ähnlichen Besetzungen in anderen Städten, Teil eines globalen Protestzyklus. In der 15M-Bewegung artikulierten sich vor allem der Unmut und die Perspektivlosigkeit von jungen Menschen in Spanien, wo rund die Hälfte der Jugendlichen arbeitslos ist. Sie richtete sich aber auch gegen die Austeritätspolitik der Regierung und die Auswirkungen der (in Spanien besonders großen) Immobilienblase, die Zwangsräumungen auf die Tagesordnung setzte. Das Motto „sie vertreten uns nicht“ verlieh einer weit verbreiteten Stimmung gegen das politische Establishment, dass durch Korruptionsskandale und Kürzungspolitik abgewirtschaftet hatte, Ausdruck. Neben den indignados bildeten sich auch in diversen Branchen wie im Gesundheits- und Sozialbereich basisnahe Bewegungen; die sogenannten „mareas“ (Strömungen).
Nach dem Abflauen der Bewegung bestand ein politisches Vakuum, dass Podemos erfolgreich besetzen konnte. Am Beginn stand die Etablierung von unzähligen Zirkeln in ganz Spanien, in denen sich AktivistInnen aus verschiedenen Bereichen und politischen Hintergründen engagierten. Sie sollten die Basis bilden, von der aus eine neue Partei aufgebaut werden sollte. Mit Wachstum an UnterstützerInnen und Bekanntheitsgrad dominierte aber zusehends eine politische Führungsriege innerhalb von Podemos und die Medienstrategie gewann an Bedeutung.
Ins Zentrum der politischen Ausrichtung rückte die Opposition gegen „la casta“ (die Kaste), die korrupte politische und ökonomische Elite, die als Projektionsfläche für die steigende Entfremdung vieler Menschen vom politischen System und der herrschenden Elite fungierte. Podemos zeigte damit, dass diese Stimmung durchaus auch von links besetzt werden kann und nicht den Rechten und Rechtsextremen überlassen werden muss. (Mitbedacht werden muss dabei allerdings immer die spezifische Geschichte Spaniens, mit der bis 1979 andauernden Diktatur General Francos, und der lebendigen Tradition linksradikaler und kämpferischer Kräfte). Dieser Versuch sich als neue, unverbrauchte Kraft in Opposition zu den Eliten zu präsentieren, ging allerdings nicht nur mit der Ablegung des Labels „links“ einher, sondern auch mit einer diffusen politischen Haltung gegenüber dem Kapitalismus an sich.
Mit Wahlerfolgen und guten Ergebnissen in Wahlumfragen verlor die Organisierung an der Basis immer weiter an Bedeutung und die Maximierung von Stimmen wurde zur politischen Priorität. Diese Entwicklung ging Hand in Hand mit einer Entdemokratisierung und Bürokratisierung sowie mit Manövern gegen linksradikale Kräfte innerhalb von Podemos.
Im Mai 2015 konnten linke Bündnisse, die sich rund um Podemos gruppierten, bei diversen Regionalwahlen deutlich gewinnen und in vielen Städten zur stärksten Kraft aufsteigen. So regieren seitdem etwa in den beiden größten Städten Madrid und Barcelona linke Bürgermeisterinnen. Auch wenn zum Teil linke Maßnahmen umgesetzt wurden, ist deren Politik letztlich an den engen Rahmen der kapitalistischen Sachzwänge gebunden – ein Spagat der nicht auf Dauer gehalten werden kann. Ohne diese reformistische Tagespolitik zynisch abzutun, kann man feststellen, dass es so in manchen Bereichen zu einer Verbesserung von Lebensbedingungen von Menschen gekommen ist.
Auf der anderen Seite ist es in Spanien zu keiner grundsätzlichen Kursänderung gekommen. Die Nationalregierung setzt ihre Austeritätspolitik weiter fort und macht mit polizeistaatlichen Maßnahmen gegen die Linke und MigrantInnen mobil. Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin hoch, Zwangsräumungen auf der Tagesordnung und Sozialleistungen werden immer weiter zurückgefahren. Die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen und Armen werden somit weiterhin angegriffen und verschlechtern sich. Dieser Politik kann weder im Parlament noch in Regionalregierungen wirkungsvoll entgegengetreten werden. Dazu braucht es vielmehr Bewegungen, Arbeitskämpfe, Streiks und Widerstand auf der Straße. Die Einbindung der Linken in die (regionale) Mitverwaltung und das politische Tagesgeschäft im kapitalistisch-bürgerlichen Rahmen hilft dafür nicht weiter, sondern stellt vielmehr eine Gefahr dar. Sowohl zu scheitern und sich darin aufreiben zu lassen, als auch den Aktivismus und die Hoffnungen in institutionalisierte Bahnen zu lenken. Daher halten wir die Beteiligung an Regierungen, egal ob auf lokaler oder nationaler Ebene, wenn es nicht gleichzeitig außerhalb des Rahmens der bürgerlichen Demokratie zugespitzte Kämpfe gibt, für nicht sinnvoll. In der Situation einer tiefen politischen Krise kann es durchaus Sinn machen auf regionaler Ebene die Regierung zu stellen. Die Perspektive ist dann allerdings eine kurz- bis mittelfristige, die mit einer Übernahme der politischen Macht durch die ArbeiterInnenklasse im ganzen Land und der Zerschlagung des Staats verbunden ist.
Zumindest ist Podemos bisher der Versuchung widerstanden eine Nationalregierung mit der Sozialdemokratie zu bilden (eine Option, die sich nach den Wahlen im Juni 2016 aufgetan hatte). Zwar waren einige bürokratische und reformistische Kräfte in der Führung dafür, die Stunde, diese Linie auch gegen internen Widerstand durchzuziehen, hatte aber offensichtlich noch nicht geschlagen. Wenn es radikalen und kämpferischen Kräften innerhalb von Podemos, die auf Basisarbeit und Verankerung setzen, nicht gelingt stark genug zu werden, scheint die Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung nur mehr eine Frage der Zeit. Um das zu verhindern, müsste die Verankerung von radikalen Ideen und Kräften innerhalb der Lohnabhängigen und von Stadtteilen eine höhere Priorität haben als Wahlergebnisse und Umfragewerte. Die dominierenden Kräfte innerhalb von Podemos ziehen allerdings eindeutig in Richtung bürgerlichen Parlamentarismus.
Der Linken in Spanien kommt mit ihrem Aufschwung eine ungeheure Verantwortung zu, in einem Land in der Krise, auch tatsächlich für eine radikale Veränderung zu kämpfen. Podemos zeigt, dass auch im Rahmen einer neuen, breiten linken Partei, die Erfolge feiern kann, verschiedene politische Strategien existieren. In einer Aufschwungphase so eines neuen Projekts können diese Konflikte und Widersprüche vielleicht einige Zeit zurücktreten. Das bedeutet aber nicht, dass sie damit gelöst werden – im Gegenteil: wenn es dann ans Eingemachte geht und man über realen Einfluss verfügt, wird die Frage umso brennender, worauf man nun politisch setzt.
Insgesamt ist der Erfolg von Podemos durchaus Anlass zur Hoffnung, weil er zeigt, dass auch heute linke Ideen eine breite Zustimmung finden können. Dennoch sollte dieser Umstand nicht dazu verleiten, sich zurückzulehnen und darauf zu warten, dass es Podemos „schon richten“ wird. Und er sollte auch nicht davon abhalten, Kritik dort zu äußern, wo sie notwendig ist. Podemos ist jedenfalls kein widerspruchsfreies Projekt. Unsere Solidarität gilt den revolutionären Kräften – auch außerhalb von Podemos –, die auf eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft „von unten“ setzen.
Linke Vereinigungsprojekte
Versuche ein neue breite linke Organisation/Partei zu schaffen, setzen an dem realen Problem an, dass die (radikale) Linke zersplittert ist und ihre Schwäche sich zum Teil auch dadurch erklärt. Umgekehrt ist diese Zersplitterung selbst aber wiederum Ausdruck der Schwäche und Isoliertheit der Linken. Dafür, dass zukünftige Kämpfe und Bewegungen eine kritische und entscheidende Größe und Radikalität entwickeln, wird es wesentlich mehr brauchen als die eine Kleingruppe mit der „richtigen“ Politik. Eine zentrale Frage wird sein, ob die radikalen Kräfte stark genug und gut genug organisiert sind um den Protesten eine Perspektive geben zu können. Dafür braucht es eine gewisse Form der Zusammenarbeit und Größe, sowie politische Klarheit in den zentralen Fragen. Politische Bewegungen folgen oft ihren eigenen Dynamiken, die Linke auch nicht verschlafen dürfen. Es braucht allerdings eine politische Kraft, die diese Konjunkturen überdauert, eine politische Perspektive formulieren kann und über Verankerung verfügt.
Perspektivisch treten wir für eine Umgruppierung innerhalb der (radikalen) Linken ein. Eine solche Umgruppierung findet jedoch nicht im luftleeren Raum statt. In ihr werden sowohl Kräfte der real existierenden Linken, als auch im Zuge von Kämpfen und Bewegungen neu entstandene Organisationen, eine Rolle spielen. Gesellschaftliche Kämpfe und die Rolle, die politische Kräfte in ihnen spielen, werden sie entscheidend vorantreiben. Auch wenn wir daher nicht glauben, dass diese am Reißbrett entworfen werden oder durch Resolutionen erreicht werden kann, halten wir auch heute eine Zusammenarbeit innerhalb der Linken für sinnvoll und wünschenswert. Und zwar dort, wo sie Sinn macht und nicht eine Selbstbeschäftigung fernab einer politischen Praxis bedeutet. Wie müsste eine solche Zusammenarbeit bzw. ein neues linkes Vereinigungsprojekt aussehen, um erfolgreich funktionieren zu können? Im Folgenden wollen wir unsere Vorstellungen davon skizzieren, die sowohl die Richtung skizzieren mit der wir uns seit 2016 im „Aufbruch“ aktiv beteiligen, als auch von eben diesen Erfahrungen geprägt sind.
Für ein solches Projekt ist es notwendig, dass es von einer aktiven Basis getragen wird, demokratisch funktioniert und es schafft, Menschen außerhalb der bereits politisch organisierten Linken anzusprechen und einzubinden. Der Aufbau von Basisstrukturen darf dabei kein Selbstzweck sein, sondern es muss darum gehen Menschen um Themen in ihrer Lebenswelt (Arbeitsplatz, Uni/Schule, Stadtteil) zu organisieren und dort aktiv wirksam zu sein. Damit schafft man auch die Voraussetzungen in (künftigen) gesellschaftlichen Kämpfen und sozialen Bewegungen eine entscheidende Rolle spielen zu können.
Viele sagen, dass eine neue linke Partei pluralistisch sein muss. Wir würden sagen: Ja! Doch was heißt Pluralismus? Eine pluralistische Linke muss die Vielfalt der österreichischen Gesellschaft, der ArbeiterInnen, Jungen und PensionistInnen und ihrer Bedürfnisse, widerspiegeln und nicht bloß die Pluralität der linken Szene. Um das erreichen zu können braucht es die Ausrichtung auf eine langfristige und kontinuierliche Arbeit und die Schaffung einer Organisationskultur, die den unterschiedlichen Lebensrealitäten Rechnung trägt.
Der Anspruch auf Pluralität darf allerdings nicht bedeuten, dass Unterschiede in der politischen Analyse und Strategie geleugnet oder verdeckt werden. Unterschiedliche Positionen müssen diskutiert werden, aber ohne bürokratische Manöver oder dümmliche Polemiken, sondern solidarisch und wo möglich in enger Verbindung mit praktischer Arbeit. Ein solches Projekt darf jedoch kein Debattierclub werden, in dem man sich hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt. Dafür ist es notwendig, gemeinsam auch wirklich aktiv zu sein und die politischen Debatten mit einer Reflexion und Diskussion über die eigenen Aktivitäten zu verbinden. Es braucht solidarische Zusammenarbeit auf Augenhöhe, und es gilt, das Wissen und die Ressourcen, die in verschiedenen Bereichen da sind, zu nutzen, offen zu bleiben und voneinander zu lernen. So sehr es notwendig ist am Puls der Zeit zu sein und sich nicht in alten Routinen festzufressen, muss das Rad jedoch nicht neu erfunden werden. Die Geschichte der Linken und der ArbeiterInnenbewegung ist reich an wertvollen Erfahrungen und nicht selten finden sich Debatten, die als neu und aktuell erscheinen, dort in anderem Gewand wieder.
Ein neues Projekt, in dem verschiedene Linke solidarisch zusammenarbeiten, lässt sich aber nicht einfach durch die Schaffung der richtigen Rahmenbedingungen kreieren. Denn dass die Linke zersplittert ist, hat nicht nur mit der Sturheit von Menschen und Gruppen zu tun, sondern auch damit, dass tatsächlich unterschiedliche politische Positionen und Konzepte existieren. Manches wird sich durch gemeinsame Diskussion und Aktivität klären lassen, manche Positionen sind aber letztendlich unvereinbar. Die Ausrichtung auf ein linkes Wahlprojekt, mit der Option sich auch an kapitalistischen Regierungen zu beteiligen, und die Ausrichtung auf den Aufbau einer revolutionären politischen Kraft mit Basis-Verankerung in Betrieben, Stadtteilen und Unis, um Kämpfe zu führen und den Kapitalismus herauszufordern, ergänzen sich nicht, sondern stehen vielmehr für zwei widerstreitende Pole innerhalb der Linken. Es ist dabei nicht nur eine Frage, für welche Arbeit Zeit und Ressourcen investiert werden, sondern auch, für welche Perspektive man in Kämpfen und Bewegungen eintritt.
Dass bedeutet nun nicht, dass eine breitere Zusammenarbeit in der Linken von vornherein zum Scheitern verurteilt und damit sinnlos ist, sondern vor allem, dass sich Differenzen nicht immer ausdiskutieren oder durch einen wohldurchdachten organisatorischen Rahmen lösen lassen. Die verschiedenen Strategien werden letztlich in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und Kämpfen auf die Probe gestellt und werden sich dort messen lassen müssen. Bis zu einem gewissen Grad werden erst dort die wirklichen Konsequenzen von bestimmten Positionen sichtbar werden – damit geht es dann nicht mehr nur um abstrakte Argumente, sondern darum praktisch Stellung zu beziehen. In einer zugespitzten Situation wird innerhalb der Linken auf jeden Fall einiges in Bewegung kommen, neue Allianzen werden entstehen und alte zerbrechen. Wir können heute ausloten wo und wie weit eine Zusammenarbeit möglich und sinnvoll ist und damit auch die Basis für (zukünftige) Kooperationen legen. Das Ziel sollte jedenfalls sein, ein neues linkes Projekt zu schaffen, das in zukünftigen Kämpfen und Bewegungen den Praxistest besteht und diese vorantreiben und radikalisieren kann. Dazu braucht es politische Grundsätze und eine Einigkeit in grundlegenden Forderungen und Strategien – und Räume, in denen – bereits im Vorfeld solcher Kämpfe – über diese Fragen diskutiert werden kann.
Daher glauben wir, dass eine neue linke Kraft nicht auf Wahlerfolge orientiert sein darf, sondern in der praktischen Arbeit durch emanzipatorische Politik, Alternativen zum Kapitalismus entwickeln muss. Die zentralen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen werden nicht im Parlament ausgetragen und entschieden (werden), selbst wenn eine neue linke Kraft dort in Zukunft vertreten wäre. Und auch mit Medienöffentlichkeit alleine oder einem bekannten Aushängeschild „an der Spitze“, werden wir das nicht schaffen. Präsenz in den traditionellen wie sozialen Medien ist absolut notwendig, aber das ersetzt keine Verankerung an Schulen und Unis, in Betrieben und Stadtteilen. Dafür müssen wir für Menschen, die bei einem solchen Projekt mitmachen wollen, offen und verständlich bleiben, gerade wenn sie bisher noch nicht in linken Zusammenhängen aktiv waren.
Wir denken, dass linke Politik auch nicht reaktiv sein und nur auf die Regierung oder die Rechte mit Protesten reagieren darf. Sie muss ein eigenes, positives Programm vertreten, das Antworten auf die wichtigsten Probleme der breiten Bevölkerungsmehrheit liefern kann und versuchen, dieses kämpferisch durchzusetzen. Das bedeutet aber nicht einfach „das Blaue vom Himmel“ zu versprechen. Damit würden wir uns in eine lange Reihe belangloser Forderungen von Parteien und Gewerkschaften auf Wahlplakaten und Kampagnenflyern einordnen, die vielleicht gar nicht schlecht klingen, aber im echten Leben keinerlei Umsetzung finden. Genau dieser Graben zwischen tollen Versprechungen und Niederlagen und Zugeständnissen in der Praxis hat viele Menschen von der Politik so weit entfremdet, wie das heute der Fall ist. Diese Lücke gilt es daher in zweierlei Hinsicht zu schließen: wir müssen ganz klar sagen, wie wir unsere Forderungen finanzieren und wie wir sie umsetzen wollen.
Die Sympathien unserer (noch) nicht in der Linken organisierten KollegInnen gewinnen wir nicht durch möglichst „softe“ Positionen, sondern durch kontinuierliche gemeinsame Aktivität und Diskussion auf Augenhöhe, sowie durch konsequenten Widerstand gegen den Sozialabbau und Klassenkampf von oben, egal ob von SPÖ, ÖVP, FPÖ oder Grünen forciert. In Zeiten, in denen den meisten Menschen eine tatsächliche Veränderung innerhalb des bestehenden Systems als unrealistisch erscheint, können wir eher durch radikale Positionen, die eine wirkliche Alternative formulieren, als durch eine graduelle Unterscheidung von den etablierten Parteien punkten. Wir dürfen dafür auch nicht zu einer schlechten, „linkeren“ Kopie der bestehenden Partei- und Gewerkschaftsapparate verkommen oder unser Projekt darauf ausrichten, die linkeren Teile dieser Apparate zu gewinnen.
Ein Bruch mit der bürokratischen StellvertreterInnenlogik ist daher unumgänglich. Nicht nur, dass sich damit keine Kämpfe gewinnen lassen, erleben heute viele Menschen eine Entfremdung von der Politik und eine Gängelung durch eine Elite, die versprochen hat für sie „stellvertretend“ alles zu regeln. Die Dominanz sogenannter „ExpertInnen“ und das Delegieren und Entreißen von Verantwortung hat ihren Anteil an der heutigen Situation, wo mehr und mehr Menschen politisch resignieren und die Skepsis gegenüber politischen Organisationen steigt. Um das zu ändern brauchen wir Vertrauen in unsere eigene Stärke und müssen in der Praxis Beispiele zeigen, die funktionieren und als Vorbild dienen können.
Die Antwort kann nicht sein, eine möglichst bequeme (aber letztlich recht ergebnislose) Unterstützung bei Wahlen anzubieten, sondern politische Betätigung und Selbstermächtigung anders erlebbar zu machen und einen Raum zu schaffen, in dem man gemeinsam mit anderen aus seiner Ohnmacht heraustreten kann. Wir sind heute in einer Situation in der es kaum offensive Kämpfe für soziale Verbesserungen gibt, sondern selbst Abwehrkämpfe nicht entschlossen geführt werden. Und genau das müssen wir ändern. Wir brauchen keine VertreterInnen, die „für uns“ Verschlechterungen verwalten und beschließen, weil sie angeblich „alternativlos“ sind, sondern wir brauchen eine breite, aktive und kämpferische Basis.
Ein solches Projekt könnte dann einen entscheidenden Unterschied machen, wenn es über möglichst viele AktivistInnen, funktionierende Strukturen und gemeinsame Erfahrungen verfügt, sowie auf das Führen und Unterstützen von Kämpfen und Bewegungen und die Stärkung von radikalen, basisnahen Kräften orientiert. Diese Ziele sollten wichtiger sein, als möglichst schnell Breite und gesellschaftliche Relevanz erreichen zu wollen.
III.) Die ArbeiterInnen und die Linke
Kapitalismus und ArbeiterInnenklasse
Die Krise hat besonders deutlich das destruktive Potential und die grundsätzliche Krisenhaftigkeit des Kapitalismus gezeigt; eines Systems das nach dem Prinzip der Profitmaximierung funktioniert und nach Wachstum ohne Wenn und Aber verlangt. Hoffnungen auf eine Reformierung oder eine „Zügelung“ haben sich als hochgradig illusionär herausgestellt – und werden es auch in Zukunft bleiben. Das Scheitern einer Politik, die sich den kapitalistischen Sachzwängen unterordnet, haben SPÖ, Syriza und Co gezeigt. Damit zu brechen, kann nur bedeuten gegen den Kapitalismus selbst und für seine Überwindung zu kämpfen.
Der Kapitalismus kann allerdings nicht durch radikale Forderungen „abgeschafft“ werden und er wird auch nicht einfach (von selber) zusammenbrechen. Er muss vielmehr durch eine bewusste politische Tat, mit einer Überwindung der herrschenden Eigentums- und Machtverhältnisse, gestürzt werden. Die kapitalistischen Eigentums- und Produktionsverhältnisse stützen sich auch heute noch auf die Spaltung der Gesellschaft in Kapital und Lohnarbeit. Der Kapitalismus ist nach wie vor in erster Linie eine bestimmte Produktionsweise, der bestimmte Klassenverhältnisse zugrunde liegen – auch im Zeitalter von Digitalisierung und Robotisierung. Auch wenn sich Lebens- und Arbeitsverhältnisse seit Bestehen des Kapitalismus (immer wieder) geändert haben, ist der Großteil der Gesellschaft nach wie vor lohnabhängig und damit Teil der ArbeiterInnenklasse.
Der Kapitalismus kann nur beseitigt werden, wenn diese Mehrheit der Gesellschaft, die für die reale Reproduktion der Gesellschaft sorgt, die politische Macht und die Produktion übernimmt, also eine Revolution macht. Das Ziel muss letztendlich sein sich des kapitalistischen Systems am gesamten Planeten Erde zu entledigen, da einzelne „sozialistische Inseln“ im Rahmen einer kapitalistischen Weltordnung auf Dauer zum Scheitern verurteilt sind. Wir halten Internationalismus daher für absolut notwendig. Es braucht weltweite Solidarität mit den Kämpfen der Unterdrückten und Ausgebeuteten, aber auch einen lebendigen Austausch zwischen AktivistInnen aus verschiedenen Ländern, um voneinander zu lernen und gemeinsam Perspektiven aufzeigen zu können, die über den engen Rahmen des eigenen kapitalistischen Landes hinausgehen.
Für den Aufbau einer nach-kapitalistischen Gesellschaft ist eine Transformation der Gesellschaft „von unten“ entscheidend und nicht fix-fertige Konzepte, die keine Basis für eine Umsetzung haben. Die Grundlagen und Strukturen für eine solche Veränderung werden sich in gesellschaftlichen Kämpfen herausbilden. Streiks spielen dabei eine besonders wichtige Rolle. In ihnen wird direkt im Herzen der kapitalistischen Gesellschaft die politische und ökonomische Macht der Herrschenden herausgefordert und die kollektive Opposition der ArbeiterInnen stellt bereits im Keim eine Organisationsform dar, die über die kapitalistischen Klassen- und Herrschaftsverhältnisse hinausweist.
Um Kämpfe voranzubringen und ihnen eine Perspektive zu geben ist es notwendig, dass anti-kapitalistische, revolutionäre Kräfte und Ideen über Einfluss und Verankerung in der ArbeiterInnenklasse selbst verfügen. Dabei geht es nicht nur darum, dass überhaupt Kämpfe geführt werden, sondern auch, dass in diesen eine Perspektive, die über die kapitalistischen Sachzwänge, die bürokratische StellvertreterInnenlogik und den bürgerlichen Staat hinausweist, möglichst breite Unterstützung findet. Beim Versuch eine solche Verankerung aufzubauen, gilt es an den unmittelbaren Lebensbedingungen und Problemen anzuknüpfen und diese mit einer systemüberwindenden Perspektive zu verbinden. Es muss deutlich gemacht werden, dass und wie diese alltäglichen Probleme grundsätzlich mit dem kapitalistischen System zusammenhängen und dass nur eine unabhängige Politik der ArbeiterInnen selbst eine Lösung sein kann.
Wir von der RSO versuchen daher direkt in der ArbeiterInnenklasse eine stabile Verankerung aufzubauen. Uns ist dabei die Perspektive auf die Selbstorganisation der KollegInnen an der Basis wichtig; wir wollen uns nicht auf GewerkschaftsbürokratInnen und BetriebsrätInnen verlassen. Eine solche Arbeit kann freilich mit keinem Erfolg von heute auf morgen rechnen, sie ist allerdings die einzige Möglichkeit, die Isolierung der radikalen Kräfte von der ArbeiterInnenklasse zu überwinden. In welche Richtung das gehen könnte, wie unsere konkrete Arbeit aussieht und welche Erfahrungen wir dabei gemacht haben, wollen wir hier kurz vorstellen.
Betriebsflugblatt „Klartext“ und Care Revolution Wien
Wir machen seit mehreren Jahren politische Basisarbeit in den Wiener Krankenhäusern. In einem monatlichen Flugblatt („Klartext“) greifen wir grundlegende Probleme unserer Gesellschaft auf und gehen auf konkrete Probleme der Beschäftigten und der PatientInnen ein. Die Informationen dafür beziehen wir aus den Diskussionen mit den KollegInnen selbst, denn zuhören ist genauso wichtig wie eigene Positionen darzustellen. Dabei bleiben wir nicht abstrakt bei großen Fragen der Gesellschaft oder des Gesundheitsbereichs stehen, sondern zeigen, dass wir auch kleine, konkrete Probleme der Leute kennen, die lösbar wären, aber mit denen sie alleine gelassen werden.
Auf Grundlage unserer langfristigen Arbeit war es uns möglich gemeinsam mit anderen AktivistInnen, zu einem Zeitpunkt an dem große Wut herrschte und es unter den KollegInnen eine kämpferische Stimmung gab, kritische und kämpferische Kräfte zu vernetzen und gemeinsam eine Bewegung aufzubauen, die wir mit unseren Erfahrungen als politische AktivistInnen unterstützt haben. Die Basisinitiative Care Revolution Wien hat die größten Basisproteste im Gesundheitsbereich seit den 80er Jahren organisiert, unabhängig von der Gewerkschaft und teilweise gegen ihren Widerstand. Ohne unser Zutun wäre diese Kampagne nicht entstanden bzw. hätte sich schnell wieder verlaufen. Was wir geschafft haben, war in einem Bereich einen Unterschied zu machen, eine Alternative zu individueller Ohnmacht und Vereinzelung zu ermöglichen.
Viele KollegInnen aus den Krankenhäusern sind dabei zum ersten Mal selbst für ihre Interessen aktiv geworden und haben gemerkt, dass sie nicht passiv darauf warten müssen bis eine ihrer „VertreterInnen“ an ihrer Stelle spricht und sich nichts verändert. Wir wollten damit auch zeigen, dass wir bereits heute, wo linke Kräfte noch klein und isoliert sind, etwas tun können und nicht abwarten müssen bis… Ja, worauf eigentlich?
Wichtig für dieses Projekt war eine Kontinuität in der Arbeit und der Wille langfristig etwas zu verändern. Zudem mussten wir Räume schaffen, in denen sich Lohnabhängige, die mit der Linken bisher noch nichts oder wenig am Hut hatten, einbringen und ihren Platz finden konnten. In solchen Kämpfen und Aktivitäten können politische Perspektiven im Kontext konkreter Notwendigkeiten diskutiert werden, statt abstrakt.
Im Rahmen der Care Revolution Wien konnten wir auch gegenüber dem Arbeitgeber und den etablierten Vertretungsstrukturen Druck aufbauen und in der Praxis ganz konkret einen anderen Weg vorzeigen. Das war nach wie vor erst ein Anfang, aber es war ein Anfang. An diesen Erfahrungen wollen wir auch in Zukunft anknüpfen und sie in linke Projekte einbringen, um dort Aktivitäten in eine ähnliche Richtung vorzuschlagen und wenn möglich umzusetzen.
Gewerkschaften, Bürokratie und revolutionäre Basisaktivität
Die Intervention von revolutionären Kräften in ein betriebliches Umfeld muss dem Umstand Rechnung tragen, dass es in Form von Gewerkschaften und BetriebsrätInnen etablierte Vertretungsstrukturen gibt. Unsere Politik ihnen gegenüber wollen wir im Folgenden darlegen. Dazu zunächst einmal ein paar grundlegende Gedanken über Geschichte und Rolle von Gewerkschaften.
Der Ursprung der Gewerkschaftsbewegung liegt unmittelbar in den kapitalistischen Klassenverhältnissen selbst. Gewerkschaften bildeten sich als Antwort der Arbeitenden gegen Ausbeutung und Angriffe der KapitalistInnen heraus, um die eigenen Interessen gemeinsam durchsetzen und/oder wahren zu können. Ihr Fokus liegt auf Kämpfen auf unmittelbarer ökonomischer Ebene (höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen…), auf der direkten Auseinandersetzung mit dem/der „eigenen“ UnternehmerIn. Eine weitergehende politische Perspektive, wie etwa die Überwindung des kapitalistischen Systems selbst, fehlt ihnen (in den meisten Fällen). Sie verfügen somit über Breite und haben, als kollektive Kampforgane der ArbeiterInnenklasse, tendenziell ein Angebot an die Gesamtheit der Lohnabhängigen.
Gewerkschaften repräsentieren nicht nur wichtige Traditionen und Institutionen der ArbeiterInnenbewegung, sondern sind auch heute nach wie vor ein bedeutender Faktor in der politischen Landschaft und für (potentielle) Klassenkämpfe. Auch wenn sie tendenziell an Mitgliedern und Einfluss verlieren, sind in ihnen dennoch eine bedeutende Zahl an Lohnabhängigen organisiert, haben sie die Befugnis Kollektivverträge abzuschließen und Verhandlungen zu führen. Ebenso rufen sie – mit großen Unterschieden zwischen den Ländern – zu Streiks, Demonstrationen und Protestaktionen auf. In vielen Ländern existieren, teilweise auch heute noch, lebendige, kämpferische Traditionen innerhalb der Gewerkschaftsbewegung. Es dominierten nicht immer schon bürokratische Führungen und eine Standortlogik. Insgesamt sind Zustand, Organisationsform und Radikalität von Gewerkschaften sowie ihr Verhältnis zu Betriebsratsstrukturen in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich. Daher variieren auch ihre Rolle im Klassenkampf und die Bedingungen und Möglichkeiten, die revolutionäre Kräfte konkret vorfinden.
In Österreich ist die sozialpartnerschaftliche Einbindung der Gewerkschaften besonders stark ausgeprägt. Konnten in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg noch Fortschritte erzielt werden, geht es heute weitgehend um die Aufrechterhaltung der bürokratischen Apparate selbst – und sei es auch durch die Mitverwaltung der neoliberalen Angriffe. Die Führung des ÖGB wertet die Tatsache, dass es in Österreich (so gut wie) keine Streiks gibt, als Zeichen des Erfolgs der Sozialpartnerschaft und der eigenen Stärke. Dieses Selbstverständnis erinnert weitgehend an eine Lobbyingorganisation, die auf politische Einflussnahme, und nicht auf Kämpfe oder Streiks, setzt. Ein Grund dafür ist auch die Dominanz der FSG innerhalb des ÖGB, die über enge Kontakte in die SPÖ verfügt und FunktionärInnen aus Reihen der FSG MinisterInnen, National- und GemeinderätInnen werden. Erfolg wird überwiegend an der Anzahl einflussreicher (und gut bezahlter) Posten und nicht an gewonnen Kämpfen gemessen.
Aufgrund all dieser Faktoren ist es nicht verwunderlich, dass sich „Protest“aktionen in der Regel auf Medientermine, BetriebsrätInnenkonferenzen und vereinzelte Demonstrationen, um etwas „Dampf abzulassen“, beschränken. Dahinter steht sowohl der nicht vorhandene Wille zu kämpfen, als auch die Angst vor einer wütenden und selbstständig aktiven Basis – bloß nicht die Kontrolle verlieren. In Österreich gibt es auch keine (relevanten) Basisstrukturen innerhalb der Gewerkschaft in denen Mitglieder und KollegInnen selbst aktiv sein können. In der heutigen Realität ist Gewerkschaft damit weitgehend mit dem Apparat der Bürokratie, der beitragszahlende Mitglieder braucht, indem aber nicht vorgesehen ist, dass diese selbst aktiv sind, ident. Da ist es kein Wunder, dass viele KollegInnen das Gefühl haben, dass sie von ihren Vertretungsstrukturen bevormundet werden, diese aber gleichzeitig keinerlei Aktivitäten zur Verbesserung ihrer Situation setzen. So sehr wir diese Sichtweise teilen und verstehen, müssen wir der damit in vielen Fällen einhergehenden Resignation und Perspektivlosigkeit etwas entgegensetzen. Wir verteidigen die grundlegende Idee hinter gewerkschaftlicher Organisierung, nämlich gemeinsam für die eigenen, unmittelbaren Interessen aktiv zu sein und aus der Kollektivität eine Stärke zu machen.
Auch FunktionärInnen und Strömungen innerhalb (und auch außerhalb) des ÖGB, die der sozialpartnerschaftlichen Stillhaltepolitik kritisch gegenüberstehen, verfolgen in der Praxis keine grundlegend andere Strategie zur bürokratischen StellvertreterInnenlogik. Das hat sowohl mit einem Mangel an Radikalität und Mut, aber auch mit der Einbindung in die bürokratischen Apparate und Vertretungsstrukturen zu tun. BetriebsrätInnen und GewerkschaftsfunktionärInnen werden mit der Arbeit in Ausschüssen und Verhandlungen beschäftigt und eingebunden, womit ein Selbstverständnis als professionelle StellvertreterInnen, fernab von intensivem Kontakt mit der KollegInnenschaft und einer aktiven Basis, gefördert wird. Ihre Aktivität verkommt schnell zur Selbstbeschäftigung in den Apparaten, wenn kleine Siege gegen die Bürokratie in Abstimmungen über letztlich belanglose Resolutionen und Forderungen, zum Hauptschauplatz werden. Den Mangel an Basisstrukturen haben auch die „kritischen“ Stimmen nicht behoben. Selbst dort, wo es ehrliche Absichten und einen guten Willen gibt, mangelt es in den meisten Fällen an Ideen und Erfahrungen, um wirklich etwas anders zu machen.
Die spezifische Arbeit, die wir mit Care Revolution gemacht haben, ist vor diesem Hintergrund zu verstehen. Ein Teil unserer Aktivitäten bestand darin klassisch gewerkschaftliche Aufgaben (Organisierung von Aktionstreffen, Diskussionsveranstaltungen, Demos, Protestaktionen und Unterschriftensammlungen) zu übernehmen – aus dem einfachen Grund, weil es diese sonst nicht gegeben hätte. Die österreichischen Gewerkschaften sind so bürokratisiert und kampfunwillig und das Klassenkampfniveau ist generell so niedrig, dass selbst fundamentale Arbeiten von radikaleren und unabhängigen Kräften selbstorganisiert auf die Beine gestellt werden müssen. Die Organisierung von grundlegenden Basisaktivitäten selbst in die Hand zu nehmen braucht natürlich Zeit und Disziplin, sowie den politischen Willen dazu. Viele Linke setzen jedoch lieber auf Diskussionen und Austausch mit FunktionärInnen, in denen der Kritik und den eigenen radikalen Ideen nicht selten sogar zugestimmt wird, aber daraus, mit Verweis auf die „Sachzwänge“ in den Apparaten, keinerlei praktische Konsequenzen folgen. Und tatsächlich ist der Handlungsspielraum von kritischen EinzelkämpferInnen innerhalb dieser Strukturen äußerst gering. Mag diese Strategie des Einflüsterns von links auf den ersten Blick vielleicht erfolgsversprechender wirken, endet sie in der Regel damit, dass revolutionär Kräfte ohne Verankerung in der Luft hängen und sich zu BeraterInnen einzelner FunktionärInnen degradieren.
Für uns boten die gemeinsamen Aktivitäten mit zahlreichen KollegInnen eine Möglichkeit ihre Lebensrealitäten, Arbeitsbedingungen und politischen Sichtweisen kennenzulernen – und umgekehrt. Für viele KollegInnen waren die Aktivitäten von Care Revolution die erste Möglichkeit für ihre Interessen selbst aktiv zu werden und in der Praxis eine Alternative zur Untätigkeit ihrer offiziellen Vertretung zu erleben. Zudem haben unsere Aktionen die Obrigkeiten in Politik und Gewerkschaft durchaus aufhorchen lassen und nervös gemacht.
Auch wenn wir mit Kritik an der Untätigkeit von Gewerkschaft und Personalvertretung nicht gespart haben, waren unsere Aktionen nicht gegen sie, sondern gegen den Arbeitgeber und die politisch Verantwortlichen, gerichtet. Wir haben sogar im Gegenteil diverse Angebote zur Zusammenarbeit gemacht, die aber – mit einer Ausnahme – ignoriert oder abgelehnt wurden. Daraus folgt aber nicht, dass wir nun selbst untätig darauf warten müssen, bis die Bürokratie vielleicht doch irgendetwas organisiert, sondern dass wir dann eben selbst Aktionen auf die Beine stellen. Wir haben damit gezeigt, dass Aktivitäten auch ohne Unterstützung und sogar mit Ablehnung der offiziellen Vertretungsstrukturen möglich sind. Wenn wir es damit schaffen genug Druck aufzubauen, dass sich die offiziellen VertreterInnen dazu genötigt sehen, auch in Bewegung zu kommen – umso besser.
Natürlich sind die Möglichkeiten, die unabhängige Kräfte haben um eine solche Arbeit zu machen, begrenzt. Die Gewerkschaft verfügt über einen Apparat und Ressourcen und damit über ganz andere Möglichkeiten. Um die eigenen Möglichkeiten auszuweiten kann es eine Option sein selbst bei Betriebsratswahlen zu kandidieren oder in gewerkschaftlichen Strukturen aktiv zu sein. Die Entscheidung, diesen Schritt zu setzen ist aber auch von der eigenen Stärke, der Verankerung und der Dynamik am Arbeitsplatz abhängig. Das Ziel darf dabei nicht sein, sich mit der „Eroberung“ von offiziellen Posten zu schmücken, sondern eine aktive und radikale Basisarbeit voranzubringen. Dabei muss man sich auch der Gefahren bewusst sein, die mit der Einbindung in diese Arbeit und Strukturen einhergehen.
In anderen Ländern, in denen die sozialpartnerschaftliche Tradition nicht derart ausgeprägt ist und es ein höheres Niveau an Klassenkämpfen gibt, organisieren die Gewerkschaften selbst mehr Streiks, Demonstrationen und andere Protestaktionen. Aber auch dort sind die bürokratisierten Apparate nicht dazu bereit konsequent zu kämpfen und mit der StellvertreterInnen- und Standortlogik zu brechen. Statt auf eine offensive Kampfstrategie wird auf Verhandlungen gesetzt, für die begrenzte Streik- und Demonstrationstage als Druckmittel benutzt werden sollen. In solchen Situationen müssen radikale Kräfte dafür sorgen, dass basisnahe und demokratische Streikkomitees die Führungsrolle übernehmen und nicht die Gewerkschaftsbürokratie. Nur so kann es zu einer Ausweitung der Streiks und Bewegungen kommen und ein Festfahren in Verhandlungen verhindert werden. Auch wenn die Ausgangsbedingungen in anderen Ländern andere sind, ist die politische Stoßrichtung die gleiche. Die konkreten Bedingungen und Möglichkeiten, die revolutionäre Kräfte für ihre Arbeit und ihre Politik gegenüber den offiziellen Vertretungsstrukturen vorfinden, sind also recht unterschiedlich und von Situation zu Situation verschieden. Unsere Herangehensweise orientiert sich aber immer am Versuch eine Verankerung aufzubauen, Unabhängigkeit zu gewährleisten und einen Bruch mit der StellvertrerInnen- und Standortlogik zu forcieren.
Tageskämpfe und Systemüberwindung
Aber ist die Orientierung auf den Aufbau revolutionärer Organisationen und einer Verankerung in der ArbeiterInnenklasse angesichts der Dringlichkeit der aktuellen Situation nicht unangemessen? Sind revolutionäre Forderungen nicht viel zu abstrakt? Muss es nicht in erster Linie um die Verhinderung der aktuellen Angriffe gehen?
Das erfolgreiche Führen von Tageskämpfen und das Anstreben einer Systemüberwindung ist keine Entweder-Oder-Frage und auch kein Etappenprojekt. Die reformistischen Kräfte versagen, aufgrund ihrer Standortlogik und Ausrichtung auf Verhandlungen, selbst im Führen von elementaren Abwehrkämpfen. Dabei entstehen Möglichkeiten für revolutionäre Kräfte, sich als die entschiedeneren KämpferInnen zu profilieren und aus der Dynamik der Tageskämpfe, mit Übergangsforderungen, die Notwendigkeit der Überwindung des Kapitalismus aufzuzeigen. Dabei wird auch deutlich, dass radikale und revolutionäre Forderungen und Kampfmaßnahmen keineswegs „zu abstrakt“, unrealistisch oder der Dringlichkeit nicht angepasst sind. Ganz im Gegenteil: ein erfolgreicher Kampf gegen die Angriffe verlangt vielmehr nach einer radikalen und unabhängigen Gegenwehr der ArbeiterInnenklasse.
Es reicht jedoch nicht, sich zurückzulehnen und darauf zu warten bis die Lohnabhängigen „automatisch“, als Reaktion auf die Krise oder konkrete Angriffe, zu kämpfen beginnen. Kämpfe und Bewegungen entstehen durchaus immer wieder spontan – in dem Sinn, dass es oft sehr schnell geht und selbst Beteiligte von den Ereignissen überrascht sind. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie durch die richtigen Forderungen und genügend Aufwand voluntaristisch – alleine durch den Willen dazu – gestartet werden können. Es braucht eine Stimmung, in der der Unmut groß genug ist und genügend Menschen das Gefühl haben, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Daneben braucht es aber auch Ideen darüber, wie sich Protest überhaupt organisieren lässt. Das können und sollten radikale Kräfte vorantreiben, indem sie sich eine Präsenz in der ArbeiterInnenklasse aufbauen und nicht erst, wenn diese in Bewegung gerät, als Unbekannte und von außen, mit den „richtigen“ Perspektiven intervenieren.
Der Einfluss von reformistischen und bürokratischen Ideen und Kräften wird auch in Perioden einer Zunahme und Radikalisierung von Kämpfen nicht einfach „von selbst“ verschwinden. Vielmehr können reformistische Organisationen aufgrund ihrer traditionellen Verankerung in der Klasse eine entscheidende Rolle beim Abwiegeln und Verhindern von Klassenkämpfen und Revolutionen spielen. Letztlich braucht es eine revolutionäre Partei der ArbeiterInnenklasse, die bei der Eroberung der politischen Macht den entscheidenden Unterschied machen kann. Gerade die Krise bietet Chancen, Brüche mit traditionellen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung voranzutreiben, der existierenden Wut eine Perspektive zu bieten und revolutionäre Kräfte zu stärken.
IV.) Worauf warten? Revolutionäre Organisation aufbauen!
Worauf warten?
Teile der Linken und Empörten sind in einer doppelten Logik der Alternativlosigkeit gefangen. Wer es nicht schafft mit den vermeintlichen „Sachzwängen“ des Kapitalismus zu brechen, für den ist die neoliberale Logik tatsächlich alternativlos. Und dann bleibt als politische Hoffnung nur mehr das vermeintlich „kleinere Übel“ über. Die einzige wirkliche Alternative zu dieser vermeintlichen „Alternativlosigkeit“ ist eine neue, unabhängige politische Kraft, die sich den kapitalistischen Sachzwängen nicht unterordnet.
Dafür brauchen wir selbst ein klares Programm und müssen bereit sein, uns mit den Reichen und Mächtigen tatsächlich anzulegen. Das bedeutet auch nicht darauf zu warten, bis sich in der SPÖ, den Gewerkschaften, der Zivilgesellschaft oder sonst wo irgendetwas „nach links“ bewegt, bevor wir selber was Relevantes tun können. Ein Anziehungspol für einen Linksruck können wir nur dann sein, wenn wir eine wirkliche Alternative anbieten. Das heißt auch mit der reformistischen StellvertreterInnenlogik und der „linken“ Mitverwaltung des Kapitalismus zu brechen. Die Aufgabe der Linken muss auch sein Bewusstsein für die gegenwärtige Lage zu schaffen und eine Perspektive für Widerstand zu entwickeln. Die entpolitisierte Stimmung in der Bevölkerung macht das Ganze natürlich schwieriger – aber umso notwendiger.
Revolutionäre Organisation aufbauen
Es hat sich gezeigt, dass reformistische Projekte oder eine besonders geschickte (Wahl-)Kampagne nicht als vermeintliche Abkürzungen funktionieren bzw. den Aufbau von unabhängigen, radikalen Organisationen ersetzen können. Ein solches Projekt kann zwar nicht auf kurzfristige Durchbruchserwartungen setzen – diese werden aber ohnehin meist sehr schnell enttäuscht werden. Und auch wenn eine Wahlinitiative oder ein ähnliches Projekt durch allerlei professionelle Tricks in den bürgerlichen Medien vielleicht eine Zeit lang als relevantes Projekt dasteht, wird sich schnell zeigen, was real dahintersteht.
Insgesamt kann eine revolutionäre Organisation längerfristig nur erfolgreich sein, wenn sie sich auf AktivistInnen stützt, die über ein tiefgehendes politisches Verständnis, eine klare gemeinsame Ausrichtung, eine realistische Perspektive, ein festes Engagement und kollektive Entschlossenheit verfügen. Ebenso bedarf es einer klaren Perspektive auf die politische Verankerung der Organisation und ihrer Ideen in der ArbeiterInnenklasse und praktischer Schritte in diese Richtung. Angesichts dessen, dass sich die kapitalistischen Verheißungen immer mehr als hohle Phrasen entlarven, stehen uns stürmische Zeiten bevor, in denen die verschiedenen Strategien in der Linken auf die Probe gestellt werden. Statt angesichts der tatsächlich beunruhigenden gesellschaftlichen Situation in Panik zu verfallen und das „kleinere Übel“ bzw. die „linkeste“ Partei, die irgendwie von Relevanz scheint, zu unterstützen, setzen wir auf eine realistische Analyse der Situation, der Kräfteverhältnisse und der verschiedenen politischen Strategien. Das heißt für uns, unsere Arbeit kontinuierlich weiter zu machen und dort mit anderen Linken zusammenzuarbeiten, wo es Sinn macht und sich dadurch wirkliche Perspektiven ergeben. Wir laden alle, die mit unseren Perspektiven übereinstimmen dazu ein, mit uns gemeinsam aktiv zu werden.
„Unterstütz’ uns bei…“
Wenn du unsere Ideen gut findest, laden wir dich dazu ein, mit uns gemeinsam aktiv zu sein. Wir können weitere Unterstützung immer gut brauchen und je mehr AkvtivistInnen wir sind, desto mehr können wir erreichen. Wie das aussehen kann? Hier ein paar unserer Aktivitäten, die du unterstützen kannst:
* Bewerbung der RSO und unserer Veranstaltungen im Internet und mit Flyern, Stickern, Plakaten und Infoständen
* Teilnahme an Demonstrationen, Kundgebungen…
* Verteilen unseres Betriebsflugblattes „Klartext“
* Aufbau von Gruppen an Unis, Schulen und in Betrieben
* Spenden
Für uns bedeutet politisch aktiv zu sein aber nicht nur Arbeit „nach außen“ zu machen, sondern auch gemeinsam zu diskutieren, die gemachten Erfahrungen zu reflektieren, aus der Geschichte zu lernen und gemeinsam mit anderen in guter Stimmung organisiert zu sein. Daher gehört zu unseren regelmäßigen Aktivitäten auch Folgendes:
* Regelmäßige Vorträge über historische und aktuelle Themen und Theorien
* Politische Lese- und Diskussionstage sowie Seminare
* Sommercamps (mit politischen Diskussionen und gemeinsamen Freizeitaktivitäten)
* Gemeinsame Museumsbesuche, Stadtführungen, Grillfeste und sportliche Aktivitäten