Beim Tschetschenien-Feldzug der russischen Führung handelt es sich um einen reaktionären Krieg, bei dem es nicht nur um regionale Einflußzonen und den Zugriff auf Rohstoffe geht, sondern auch ganz zentral darum, die neoliberale, prowestliche Oligarchen-Clique um Jelzin an der Macht zu halten.
Dieser Versuch, eine zunehmende Hinwendung der frustrierten russischen Bevölkerung zur KP durch ein militärisch-nationalistisches Abenteuer aufzuhalten, war bisher erfolgreich: Der Jelzin-Mann Putin ist der Sieger der Duma-Wahlen, bei einem erfolgreichen Verlauf der Krieges könnte er die KP auch bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen besiegen. Diese Zusammenhänge müssen von einer revolutionären Propaganda aufgezeigt werden. Gegen einen mit Gewalt erzwungenen Verbleib Tschetscheniens in der russischen Föderation! Nur das Selbstbestimmungsrecht kann perspektivisch die Grundlage für ein Bündnis zwischen der russischen Arbeiterklasse und der verelendeten tschetschenischen Bevölkerung schaffen. Raus mit den russischen Truppen aus Tschetschenien! Kein russischer Rekrut soll mehr im Kaukasus verrecken, um Putin das Präsidentenamt zu sichern!
Gleichzeitig müssen Marxist/inn/en aber auch den reaktionären Charakter der meist islamistischen tschetschenischen Rebellen aufzeigen und die Interessen des Imperialismus, die ökonomisch äußerst interessante kaukasisch-kaspisch-zentralasiatische Region durch eine Teile-und-Herrsche-Politik (auch gegen Russland) noch stärker unter Kontrolle zu bekommen. Um die Vorherrschaft der eigenen Ölkonzerne in der Region zu sichern, den Verlauf von Pipelines zu diktieren und das ansatzweise Bündnis Russland-Armenien-Iran zu torpedieren, haben die USA das ökonomisch-politisch-militärische GUUAM-Bündnis (Georgien, Ukraine, Usbekistan, Aserbaidschan, Moldawien) initiiert, das auch eng mit dem US-Kettenhund Türkei kooperiert und das insbesondere zum Schutz von Pipelines eine schnelle Eingreiftruppe aufbaut. Obwohl es durchaus realistisch ist, dass die tschetschenischen Rebellen einige Waffen aus der Türkei bekommen, ist das Element der imperialistischen Einmischung im Tschetschenienkrieg heute nicht dominant. Die USA wollen die von ihnen gelenkten GUUAM-Einheiten zur Sicherung der Region aufbauen und haben weder ein Interesse daran, dass unkontrollierbare islamistische Freischärler zu stark werden, noch daran, dass die Jelzin-Putin-Clique in Tschetschenien eine Niederlage erleidet, innenpolitisch entscheidend geschwächt wird und damit eine Stärkung der (selbst übel nationalistischen und letztendlich durchaus zahnlosen) russischen KP befördert wird.
Die reaktionäre Politik der russischen Führung hat schon bisher unterdrückte Nationalitäten in die Hände von Islamisten und Imperialismus getrieben und wird das auch noch weiter tun. Die Folge ist, dass in Tschetschenien und vergleichbaren Gebieten de facto keine Arbeiterbewegung und keine Linke mehr existieren und damit auch kein Subjekt für revolutionäre Politik. Deshalb macht es auch keinen Sinn, sich für Tschetschenien auf irgendwelche taktische Spielereien (über imaginäre Bündnisse oder ähnliches) einzulassen. Was bleibt sind eine klare Ablehnung des Krieges von Putin&Co. sowie eine grundlegende Opposition gegen die imperialistische Durchdringung der Region.