Stefanos Ioannidis ist Mitorganisator der monatelangen StudentInnenstreiks in Thessaloniki, Mitglied der OKDE/Ergatiki Pali und ihrer StudentInnenorganisation SSP. Auf Einladung der gemeinsamen Unigruppe von Arbeitsgruppe Marxismus (AGM) und AL-Antifaschistische Linke war er in Wien, um über die massiven studentischen Proteste in Griechenland zu berichten.
Auf der Veranstaltung der AGM/AL-Unigruppe am 26. März erläuterte Stefanos die Gründe für die Streiks und Besetzungen von Mai-Juni 2006 und Januar-März 2007: die Regierungspläne zur Reduzierung der staatlichen Finanzierung beziehungsweise zur Privatisierung der Universitäten. Er analysierte die tieferliegenden Ursachen, etwa die generellen neoliberalen Umbaupläne des Bildungssystems in der EU und die berufliche Perspektivlosigkeit von immer größeren Teilen der griechischen Jugend vor dem Hintergrund der Probleme des griechischen Kapitalismus. Er verwies auch auf den positiven Einfluss, den der erfolgreiche Kampf der französischen Studierenden gegen die CPE auf den griechischen Widerstand hatte.
Stefanos zeigte auf, wie es der starken radikalen Linken auf den griechischen Unis gelang, in den HörerInnenversammlungen gegen zögerliche und reformistische Kräfte eine kämpferische und entschlossenere Ausrichtung durchzusetzen. Mit nahezu lückenlosen Streiks und Besetzungen von Instituten und Forschungseinrichtungen und wöchentlichen Großdemos konnten der Regierung zwei empfindliche Niederlagen beigebracht werden.
Die Regierung setzte zuletzt neben ökonomischen Druck und medialer Hetze auch zunehmend auf Polizeirepression gegen die Demonstrationen. Sie hat Anfang März einen Teil ihrer Pläne im Parlament beschlossen. Die Streiks und Besetzungen gehen aber weiter und es wird sich erst in der nächsten Phase zeigen, ob diese „Reformen“ auch tatsächlich angewendet werden können. Das wird vom weiteren Durchhaltevermögen der Bewegung und vom gesamtgesellschaftlichen Kräfteverhältnis, insbesondere vom Kampf der ArbeiterInnenklasse, abhängen.
Stefanos ging auch auf die Schwächen der Bewegung ein, etwa auf das Fehlen einer landesweiten Koordinationsstruktur oder darauf, dass die Verbindung zu ArbeiterInnen und SchülerInnen nicht überall systematisch genug gesucht wurde. Und schließlich schilderte er die eigenen Aktivitäten der SSP in der Bewegung.
An der Veranstaltung der AGM/AL-Unigruppe nahmen etwa 40 Personen teil; überwiegend, aber nicht nur StudentInnen (darunter auch einige griechischer Herkunft). So manche BesucherInnen der Veranstaltung waren überrascht über die Radikalität der studentischen Proteste in Griechenland; schließlich wurde diese Bewegung in der deutschsprachigen bürgerlichen Medien weitgehend totgeschwiegen. Auf der Veranstaltung wurde etliche Fragen an den Referenten gestellt, beispielsweise zu den heftigen Auseinandersetzungen der Bewegung mit der Polizei oder zur Rolle der Lehrenden an de Unis in der Bewegung.
Diskutiert wurde unter anderem über die Perspektiven der Bewegung und der Klassenkämpfe in Griechenland und über den Vergleich zwischen studentischen Protesten in Österreich und in Griechenland. Einigkeit bestand darüber, dass man/frau sich zur Verhinderung von bevorstehenden neoliberalen Angriffen auf das Bildungssystem nicht auf die reformistische Linke verlassen kann. Einige DiskutantInnen betonten die Stärkung der klassenkämpferischen und streikorientierten revolutionären Linken als Schlüssel für erfolgreichen Widerstand.
Zum Abschluss der Veranstaltung der AGM/AL-Unigruppe wurden Ausschnitte aus einem Film über die Bewegung gezeigt und von Stefanos erläutert. Danach wurden in informellem Rahmen noch verschiedene Aspekte und Details debattiert.
Insgesamt war es ein ausgesprochen gelungener Abend, der die BesucherInnen mit den Erfahrungen der erfolgreichen Kämpfe der griechischen StudentInnen vertraut gemacht hat. Für andere europäische Städte können wir nur empfehlen, AktivistInnen der griechischen Bewegung einzuladen, um von ihren Erfahrungen zu lernen. Vielleicht können die griechischen StudentInnenstreiks für andere Länder eine ähnliche positive Beispielfunktion haben wie es die französische CPE-Bewegung für Griechenland hatte…