Das andere Australien – ein geschichtlicher und politischer Abriss

Zauberhafte Wüstenlandschaften, Badestrände, Tauchparadiese und die unvermeidlichen Känguruhs und Koalas. In Europa wird der rote Kontinent hauptsächlich als Touristendestination angesehen.  Australien ist jedoch mehr als das: ein seit jeher treuer Vasall des britischen und amerikanischen Imperialismus, neoliberaler Vorreiter mit zunehmenden sozialen Spannungen und ein Land, in dem Aborigines seit mehr als 200 Jahren diskriminiert werden.

„Pioniere“ und Aborigines
 
Australien wurde als Strafkolonie Großbritanniens gegründet. Die erste  Kolonialsiedlung  entstand 1788 im heutigen Sydney und bis ins späte 19. Jahrhundert wurden Sträflinge, meist Kleinkriminelle, aber auch irische Freiheitskämpfer und englische Revolutionäre nach „down under“ verschifft. Dazu gesellten sich freie Kolonialist/inn/en, die sich ein besseres Leben erhofften oder auch nur von den billigen gefangenen Arbeitskräften profitieren wollten. Es waren letztlich jedoch die Sträflinge, die Australien urbar machten, Strassen bauten und sogar die erste Zeitung publizierten.

Die Aborigines, die Ureinwohner Australiens, wurden von Beginn an mit aller Härte verfolgt. Dies hatte weniger mit einer gezielter Ausrottungspolitik zu tun, als mit der Schwierigkeit, die Aborigines zu versklaven und nutzbar zu machen. Hinzu kam, dass diese keinen Eigentumsbegriff kannten und sich daher auch manchmal am Vieh der Kolonialisten bedienten. Durch Seuchen, Zwangsheiraten, aber auch gezielte Massaker wurde sukzessive die Zahl der „Eingeborenen“ von 500.000 auf etwa 100.000 heute reduziert. Wahl- und Bürgerrechte wurden ihnen überhaupt erst 1967 zuerkannt. Trotz einiger positiver Reformen in den letzten Jahrzehnten, setzt sich die Diskriminierung bis heute fort: die Lebenserwartung ist 20 Jahre niedriger, fast die Hälfte ist arbeitslos und 19% der Gefängnisinsassen sind Aborigines (obwohl sie weniger als 1% der Bevölkerung ausmachen).

Gewerkschaften und Labor Party

Um 1850 bildeten sich die ersten Gewerkschaften, und die Bauarbeiter erkämpfen den Achtstundentag – eine weltweite Premiere. Der Eureka Stockade Aufstand 1854 ist der Beginn der Demokratisierung Australiens und führt zum Männerwahlrecht, wenn auch mit Gewichtung nach Steuerklasse. In den nächsten Jahrzehnten gewinnen die Arbeiterverbände massiv an Stärke und um 1890 erschüttern Streikwellen das ganze Land. Die Arbeiter/innen fordern gewerkschaftliche Organisierungsfreiheit und den Achtstundentag: „Eight hours work, eight hours play, eight hours rest and eight bob a day“. (bob = shilling)

Die Streikbewegung wird zwar von Armee und Polizei zerschlagen, viele der Forderungen werden jedoch später erfüllt. Die Gewerkschaften antworten mit der Gründung der Labor Party (ALP).  Im bürgerlichen Spektrum gab es damals wie heute die Liberals (Konservative) und Nationals (Konservative, stark in ländlichen Gegenden).

Anders als in den meisten anderen Ländern bleibt die Labor Party jedoch sehr handzahm und beschränkt sich auf Reformen, die im australischen Kapitalismus möglich sind (,) ohne das System in Frage zu stellen. So schrieb Lenin über die Labor Party: „Was ist das für ein originelles kapitalistisches Land, wo die Arbeiter das Oberhaus beherrschen und vor kurzer Zeit auch das Unterhaus beherrscht haben, ohne dass dadurch das kapitalistische System in irgendeiner Weise gefährdet war. Die Labor Party ist in Wirklichkeit eine liberal-bürgerliche Partei, während die sogenannten australischen Liberalen Konservative sind. … Die Arbeiterpartei in Australien hat das durchgeführt, was in anderen Ländern die Liberalen durchführten: einen gemeinsamen Zolltarif für das ganze Land, ein gemeinsames Schulgesetz, eine gemeinsame Grundsteuer und eine gemeinsame Fabriksgesetzgebung.“

1901 – 1940: Von der Staatsgründung zum Zweiten Weltkrieg
1901 wurde Australien als eigener Staat gegründet, die englische Queen blieb jedoch bis zum heutigen Tag Staatsoberhaupt mit einem Gouverneur in Australien.

1914 trat Australien an der Seite Englands am 1. Weltkrieg ein. Die Zwangseinberufung von Soldaten wurde zweimal bei Volksabstimmungen abgelehnt. Die australischen Soldaten wurden vom englischen Imperialismus als Kanonenfutter benutzt und überproportional viele kommen um. Trotzdem wurde Australien auch weiterhin an der Seite Englands (2. Weltkrieg) und später der USA (Vietnam, 1. und 2. Golfkrieg) in die Schlacht ziehen.

Während des 1. Weltkriegs kam es zu zahlreichen wilden Streiks, 1917 sogar zu einem Generalstreik. Der Widerstand wird während des Krieges von der anarchosyndikalistischen I.W.W. („Industrial Workers of the World“) getragen, die jedoch in den 1920ern in die Bedeutungslosigkeit versinkt. Die 1920 gegründete Kommunistische Partei, wie die meisten Schwesterparteien zu Beginn der 30er Jahre stalinisiert, gewann zwar einigen Einfluss in den Gewerkschaften, schaffte es jedoch nie zu einer Massenpartei. Sie löste sich nach Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 auf.

Der 18-monatige Generalstreik in den Jahren 1919-1920 in Broken Hill, dem Zentrum des australischen Bergbaus, führte zu weitgehenden Arbeiterselbstverwaltung der Stadt und der 35-Stundenwoche (!).

Die 1920er Jahre waren gekennzeichnet von einem wirtschaftlichen Aufschwung und einer einhergehenden Abflachung der Arbeitskämpfe. Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 kennzeichnen jedoch spontane Revolten und Streiks die Situation des Land. 1934 wurden die Löhne zwischen 10% und 30% gekürzt, doch die Arbeiter wurden im Stich gelassen – die Gewerkschaftsführung fügte sich einem vom Gericht ausgesprochenen Streikverbot. Jack Lang, der Ministerpräsident des Staates New South Wales, wollte 1940 Schlüsselindustrien verstaatlichen und weigerte sich den Schuldendienst an englische Gläubiger zu leisten. Er wurde von der Bundesregierung jedoch seines Amtes enthoben – Australien darf seine guten Beziehungen mit England nicht aufs Spiel setzen, schon gar nicht in Kriegszeiten.

Von der Sozialpartnerschaft zur Offensive des Kapitals

In den drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg haben Konservative wie Labor eine sozialpartnerschaftliche Linie verfolgt, um spontane Revolten wie in der Vergangenheit zu vermeiden. Vollbeschäftigung, steigende Löhne und Lebensstandards, soziale Sicherheit und ein Wohlfahrtsstaat wurden erreicht.

Nach politischen und sozialen Unruhen in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren sowie der Rezession von 1973 bis 1975 wurde für das Kapital eine Wende notwendig. Die 1972 gewählte Labor-Regierung stand dem im Weg. Neben einigen sozialen Reformen zog sie die australischen Truppen aus Vietnam ab und begann die US Militär- und Spionagebasen im Outback in Frage zu stellen. 1975 setzt der Gouverneur der Queen Premierminister Whitlam ab.  Neben dem Druck der USA war auch die wohlwollende Unterstützung der australischen Kapitalisten ein maßgeblicher Faktor für diesen einzigartigen Schritt. Nach diesem außerparlamentarischen Coup und einer Hetzkampagne gegen Whitlam in der Presse gewinnen die Konservativen die Wahlen.

Die auf Whitlam folgende konservative Regierung konnte nur äußerst zaghaft die sozialen Errungenschaften abbauen. Einerseits waren die Gewerkschaften zu stark, andererseits waren die Konservativen durch ihre Beteiligung am Sturz Whitlams selbst diskreditiert. 1983 kam mit Hilfe von mächtigen Teilen des Establishments  eine Labor-Regierung unter Bob Hawke an die Macht und begann die bis heute anhaltende neoliberale Offensive gegen die Arbeitnehmer.

Mit dem Argument der Sicherstellung der australischen Wettbewerbsfähigkeit restrukturierten Hawke und sein Finanzminister Paul Keating die australische Wirtschaft und deregulierten die Finanzmärkte. Zentral war jedoch das Übereinkommen mit den Gewerkschaften, Arbeitskämpfe und Lohnzuwächse zu vereiteln. Dadurch konnten die Unternehmer erfolgreich die Reallöhne kürzen, die effektive Arbeitszeit erhöhen sowie fundamental das Kräfteverhältnis im Betrieb zu ihren Gunsten ändern. Während die große Mehrzahl der Arbeiter dadurch schlechter gestellt wurde, stieg die Profitrate der australischen Unternehmen massiv an. 1988 erreichte die Feindseligkeit gegen Labors unternehmerfreundliches Programm einen Höhepunkt und zahlreiche Gewerkschaften diskutierten, mit der Labor Party endgültig zu brechen. Bei den Wahlen 1990 erreichte Labor das schlechteste Ergebnis seit 1910 und konnte nur durch Vorzugsstimmen von kleineren Parteien an der Macht bleiben.

Die Antwort auf die Rezession 1991 und der wachsenden Krise der australischen Wirtschaft waren weitere Attacken auf den Lebensstandard des Großteil der Bevölkerung. Diese Aufgabe fiel Keating zu, der vom Finanzminister zum Premierminister aufstieg. Insbesondere eine weitere Senkung der Reallöhne sollte erreicht werden. Die massive Förderung von billigen „flexiblen“ Jobs und Leiharbeitsunternehmen zwang die wachsende Zahl von Arbeitslosen in unsichere Teilzeitjobs.

Die wachsende Internationalisierung der australischen Wirtschaft verlangte auch eine Änderung der nationalen Ausrichtung. Während früher die australischen Unternehmen sich hauptsächlich an Europa und den USA orientierten, war jetzt Asien der Fokus. Dies verlangte auch eine Änderung der „weißen“ Australienpolitik, Keating setzte sich für die Integration mit Asien, Multikultur, eine Versöhnung mit den Aborigines sowie eine australische Republik ein. Dies alles sollte Australien in der asiatischen Region strategisch optimaler positionieren.

Durch die fortgesetzte neoliberale Politik verlor Keating jedoch immer mehr die Unterstützung der arbeitenden Bevölkerung. Die Wahlen 1996 endete für Labor in einer Rekordniederlage und die konservative Howard-Regierung kam an die Macht.

Howard hat die wirtschaftspolitische Linie seiner Vorgänger übernommen und das Tempo weiter beschleunigt. Innenpolitisch wurde die Diskriminierung gegen Flüchtlinge verschärft, außenpolitisch wurde verstärkt eine enge Koalition mit den USA gesucht, was sich an der australischen Teilnahme am Afghanistankrieg und am Irakfeldzug manifestierte.

Australien heute – Umverteilung von Arm nach Reich
Während die ungleiche Verteilung von Einkommen in Australien zwischen 1915 und 1969 stetig abgenommen hat und bis 1981 relativ konstant blieb, nahm sie in den 90er Jahren – trotz eines Wirtschaftswachstums von 3 bis 4% pro Jahr – dramatisch zu.

Oberflächlich betrachtet scheint diese soziale Krise nicht auf, da das „durchschnittliche“  Haushaltseinkommen in den 90er Jahren anstieg, für die unteren 50% der australischen Haushalte fiel der das wöchentliche Einkommen jedoch. Ende der 90er Jahre verdienten die oberen 20% der Haushalte fast 50% des gesamten Einkommens, also genauso viel wie die unteren 80% der Bevölkerung.

Die Einkommensstatistik verzerrt jedoch das Bild, wenn Untersuchungen über das Vermögen außer Acht gelassen werden. Zwischen 1993 und 2004 stieg der australische Aktienindex um mehr als 150%. Dies kam hauptsächlich den Superreichen zugute. Im Jahr 2000 besaßen die reichsten 200 Familien ein Vermögen von durchschnittlich A$300 Millionen, und es gab 11 Milliardäre, 8 mehr als 1995.

Die reichsten 1% besitzen mehr als die Hälfte der Aktien und die reichsten 10% mehr als 85%. Die unteren 50% der Haushalte der Australier besitzen jeweils weniger als A$ 1.000 an Aktien und Vermögen, während die unteren 10% ein negatives (!) Nettovermögen besitzen (durchschnittliche Schulden von A$ 1.000).

Dieser Umverteilung von unten nach oben wurde politisch nachgeholfen. Die Labor-Regierungen seit den 80er Jahren reduzierten die höchste Einkommenssteuerstufe von 60% auf 47% und die Unternehmenssteuern von 47% auf 36%, was den Reichtum der Top 200 Haushalte zwischen 1986 und 1996 von A$7.3 Milliarden auf A$37.3 Milliarden steigerte. Die Hälfte der Steuerkürzungen der konservativen Howard-Regierung haben die oberen 20% eingestreicht.

Wahrend der letzten drei Jahrzehnte hat sich der Anteil der Familien, die in Armut leben müssen, mehr als verdoppelt. Eine vor kurzem publizierte Studie besagt, dass 2,5 Millionen Menschen (einschließlich 732.000 Kinder), d.h. 13% der Bevölkerung, nicht die wesentlichsten Lebensbedürfnisse decken können. Im Jahr 1970 waren weniger als 3% der Haushalte von der Sozialhilfe abhängig, während 1999 mehr als 15% Sozialhilfe bezogen.

Bis Mitte der 70er Jahr war Armut auf Alte, Behinderte und Kranke beschränkt. Heute sind die Armen Arbeitslose und Lohnabhängige. Das wirkliche Niveau der Arbeitslosigkeit (offiziell 5,7%) wird von der Regierung verschleiert. Nach der offiziellen Statistik ist jeder, der eine Stunde in der Woche arbeitet, nicht arbeitslos. Das Magazin National Economics hat berechnet, dass die reale Arbeitslosenrate mindestens 10% beträgt.

Für Jugendliche ist es noch dramatischer: die Arbeitslosenrate von 16 bis 19-jährigen liegt mehr als dreimal über dem nationalen Durchschnitt. Aborigines haben sogar eine offizielle Arbeitslosenrate von mehr als 26%, die inoffizielle liegt sogar bei 40%.

Working Poor
Eine Charakteristik der letzten beiden Jahrzehnte war insbesondere die Zunahme der „working  poor“. Der Anteil der Arbeitenden, die in Armut leben, hat zwischen 1973 und 1996 um mehr als 65% zugenommen. Vollzeitjobs wurden seit den 80er Jahren zunehmend durch schlechtbezahlte Teilzeitjobs ersetzt. Während 1980 „bloß“ 15% der Arbeitenden in Teilzeitjobs arbeiteten, stieg dieser Anteil auf 29% im Jahr 2000, der zweithöchste Anteil der Welt. Die große Mehrheit der neugeschaffenen Jobs findet sich daher genau im Teilzeitbereich – und Teilzeitarbeiter/innen verdienen bloß 23.5% des durchschnittlichen Gehalts eines Vollzeitangestellten.

Da es unmöglich ist, „nur“ mit einen Job durchzukommen, sind viele Arbeiter gezwungen zwei oder mehr Jobs anzunehmen. Durch die „Flexibilisierung“ der Arbeit steigt die Jobunsicherheit und der Arbeitsstress unaufhörlich an, was zwangsläufig zu Familienkrisen führt. Für jene, die noch Vollzeitjobs haben, intensiviert sich der Grad der Ausbeutung dramatisch. Australien ist eines der wenigen Länder der Welt, in dem sich die durchschnittliche Arbeitswoche seit den 1980ern verlängert hat, durchschnittlich 3,7 Stunden pro Woche. Seit den 80er Jahren hat die Anzahl der Menschen, die mehr als 45 Stunden die Woche arbeiten, um 76% zugenommen. Mehr als 2,5 Millionen Menschen sind gezwungen länger zu arbeiten, viele davon Lastwagenfahrer, Bergbau- und Fabriksarbeiter/innen, was zu einem Anstieg von Arbeitsunfällen und Verletzungen führt. Hinzu kommt, dass viele der Überstunden nicht bezahlt werden.

Soziale Krise? Law and Order!
 
Der Anstieg der Hauspreise hat es vielen Lohnabhängigen unmöglich gemacht, sich in einer Lage, die eine gute Infrastruktur aufweist, (d.h. gute öffentliche Verkehrsanschlüsse, Unterhaltung, Restaurants, etc.) anzusiedeln. Dies führt immer stärker zur Ghettobildung, zu verarmten Gürteln außerhalb der Innenstädte.

Die Verarmung und unsichere Existenz von Millionen Menschen hat zwangsläufig zu Problemen geführt: Depressionen, Alkohol– und Drogenmissbrauch, Kleinkriminalität und Selbstmorde.

Die Schuld für diese Probleme wird jedoch nicht den sozialen Prozessen gegeben – also den neoliberalen „Reformen“ und der Auflösung von sicheren und gutbezahlten Jobs – , sondern den Opfern selbst. „Law and Order“ ist das Motto sowohl der Konservativen und Labor, und die Zahl der Polizist/inn/en und privaten Sicherheitsbeamt/inn/en nimmt stetig zu. Seit 1950 hat sich die Zahl der Gefangenen mehr als verdoppelt (von 52 pro 100.000 Menschen auf fast 110 heute). Mehr als 80% der Gefangenen sind wegen Drogenvergehen verurteilt. Aborigines, die am meisten unterdrückten Menschen Australiens, werden fünfzehnmal eher eingesperrt als andere Australier/innen.

Pensionssystem

Das australische „Superannuation“-Pensionssystem wird von vielen neoliberalen europäischen Pensionsexperten als beispielgebend herangezogen. Es basiert auf verpflichtender Individualvorsorge ohne Umverteilung und „Generationsvertrag“. Alle arbeitenden Australier/innen müssen mindestens 9% ihres Bruttoeinkommens in einen Investmentfonds veranlagen. Die Art der Veranlagung bleibt einem selbst überlassen (Aktien, Anleihen, etc.).  Die Fonds, zumeist von Banken oder Versicherungen, verlangen jedoch mindestens 1,5-3% der Gesamtveranlagung als erfolgsunabhängige Gebühr (zum Vergleich: die österreichischen Sozialversicherungen beanspruchen weniger als 0,1%). Die endgültige Pensionsauszahlung  hängt unmittelbar von Erfolg des entsprechenden Fonds ab, d.h. Volatilität von Aktienmärkten, Währungen und der jeweiligen „Anlagestrategie“. Erst wenn alle Reserven (und oft selbst das Eigenheim) aufgebraucht wurden, tritt eine minimale staatliche Grundversorgung in Kraft.

Widerstand

Der Widerstand gegen diese Politik hat sich in den letzten Jahren immer weiter ausgebreitet, was sich nicht im Wahlergebnis manifestiert hat.

Es gibt von Tausenden Australier/inne/n unterstützte Kampagnen gegen die menschenverachtende Politik gegen Flüchtlinge, die in Australien ab der Ankunft sofort und oft jahrelang in Lager eingesperrt werden – meist abseits in der australischen Wüste gelegen. Mit Befreiungsaktionen, Hungerstreiks, Demonstrationen, etc. wird Druck auf die Regierung ausgeübt.

90% der Australier/innen waren gegen die Teilnahme des Landes am US-Feldzug gegen den Irak. Mehr als 500,000 demonstrierten in Sydney und 250,000 in Melbourne – jeweils die größten Demonstrationen nach 1945. Zu Kriegsbeginn kam es auch zu spontanen Arbeitsniederlegungen in zahlreichen Betrieben.

Einhergehend mit diesem außerparlamentarischen Widerstand sind immer mehr Menschen desillusioniert von der herrschenden Politik. Die Labor Party hat sich über die letzten Jahrzehnte zu einem bürokratischen Rumpf reduziert, dominiert von rivalisierenden Abgeordnetenfraktionen, Gewerkschaftsbürokrat/inn/en und Karrierist/inn/en, die um Regierungsposten rittern – und deren Politik sich kaum von den Konservativen unterscheidet. Bei Wahlen haben die Grünen zwar stark zugelegt, haben jedoch kaum eine Aktivistenbasis oder Gewerkschaftsverankerung. Ihr politisches Programm ist zwar fortschrittlicher als das ihrer Schwesterparteien in Europa, was sich jedoch sehr schnell ändern kann (siehe Deutschland oder Österreich), insbesondere wenn sie beginnen, sich an der Regierung zu beteiligen. Das kapitalistische System wird sowieso nicht in Frage gestellt.

Socialist Alliance

Der relevanteste linksradikale Pol ist zur Zeit die Socialist Alliance, ein Bündnis, an dem sich die meisten der sozialistischen, antikapitalistischen und radikalen Gruppen beteiligen. Die Socialist Alliance wurde 2001 in Melbourne gegründet. Führend in der Socialist Alliance ist die Democratic Socialist Party, die etwas mehr als die Hälfte der Aktiven stellt. Neben den Mitgliedern der beteiligten Gruppen haben sich bis heute auch etwa 400 „unabhängige“ Sozialisten angeschlossen.

Ein Grossteil des Widerstands wird von der Socialist Alliance initiiert, so z.B. die ersten Antikriegsdemonstrationen und ein großer Teil der Flüchtlingskampagnen. Mit insgesamt etwa 1.000 Mitgliedern ist die Socialist Alliance immer noch relativ klein.  Bei Wahlen in New South Wales letztes Jahr gewann sie aber in mehreren Bezirken mehr als 5% der Stimmen und bei den nationalen Wahlen über 14.000 Stimmen (etwa 0,6% der Stimmen). Weiters hat sie eine relativ starke gewerkschaftliche Verankerung,  etwa in der Hafenarbeiter- und Lehrer/innen/gewerkschaft. Auch die Führung der kämpferischen Workers First Gruppe gehören der Socialist Alliance an. Die Socialist Alliance (gemeinsam mit der DSP) publiziert auch die sozialistische Wochenzeitung Green Left Weekly, die verbundene Webseite  (www.greenleft.org.au) ist die meistbesuchteste politische Webseite Australiens.

Obwohl die Socialist Alliance die profilierteste sozialistische Gruppe in Australien darstellt, so darf nicht übersehen werden, dass die DSP eine wichtige Stellung einnimmt – und wesentliche organisatorische und politische Entscheidungen der Socialist Alliance von der DSP  vorgegeben werden. Kleinere Bündnispartner innerhalb der Socialist Alliance haben schon mehrmals das dominierende (manchmal ans undemokratisch grenzende) Verhalten der DSP Mitgliedern bei wichtigen Abstimmungen kritisiert.

Die DSP trennte sich 1985 vom Vereinigten Sekretariat der 4. Internationale (und der amerikanischen Socialist Workers Party) nach einer langen internen Debatte zur trotzkistischen Theorie, insbesondere der permanenten Revolution. Die Kritik an der Theorie der permanenten Revolution resultierte (und resultiert) in oft unreflektierten Sympathien mit antiimperialistischen Befreiungsbewegungen, so z.B. in Kuba, Venezuela (Chavez) und East Timor (Gusmao). Die DSP agiert auch oft sehr opportunistisch hinsichtlich der australischen Grünen, die zwar fortschrittlicher sind als die europäischen Schwesterparteien, aber keinerlei systemüberwindenden Anspruch erheben. Trotz aller Kritik sei angemerkt, dass die DSP und die Socialist Alliance insgesamt ein sehr wichtiger Teil des Widerstands gegen die herrschenden Verhältnisse in Australien darstellt.