Mit dem Wahlsieg vom 2. November hat sich die US-Kriegsregierung im Amt halten können. Obwohl (trotz gestiegener Wahlbeteiligung) etwa 40% der Wahlberechtigten, vor allem aus der Arbeiter/innen/klasse, nicht wählen gingen, gelang es der Bush-Cheney-Clique dennoch, erhebliche Teile der Mittelschichten und teilweise auch der Lohnabhängigen und der nationalen Minderheiten für ihren aggressiven Nationalismus und christlichen Fundamentalismus zu mobilisieren. Auch wenn die Unterschiede zwischen "Republikanern" und "Demokraten" minimal sind, bedeutet das Ergebnis dennoch eine Stärkung der gegenwärtigen Kriegstreiber/innen im Weißen Haus und die schnelle Durchsetzung besonders reaktionärer Politiken.
Während der Ausgang der US-Wahlen in der deutschsprachigen linken Öffentlichkeit ziemlich breit rezipiert wird, ist die Stabilisierung des wichtigen US-Kriegsverbündeten, der konservativen Regierung in Australien, ein knappen Monat vorher kaum zur Kenntnis genommen worden. Wir haben folgende Einschätzung eines Genossen aus Sydney erhalten, die im Anhang auch einen Überblick über die australische Arbeiter/innen/bewegung gibt.
W a h l e n i n A u s t r a l i e n : K o n s e r v a t i v e b l e i b e n a n d e r M a c h t
Am 9. Oktober 2004 hat die konservative Regierung unter John Howard ihre Macht weiter ausgebaut. Durch das australische Mehrheitswahlrecht konnte sie nicht nur die Mehrheit im Repräsentantenhaus festigen, sondern auch zum ersten Mal die Mehrheit im Oberhaus, dem Senat, für sich gewinnen. Die Regierung der Liberal Party und National Party konnte zusätzliche 3,5% der Wählerstimmen gewinnen und kam auf 46,2% (nach Verteilung der Präferenzstimmen: 52,6%), während die oppositionelle Labor Party ihr schlechtestes Ergebnis seit 1931 erzielte (38,3%, nach Verteilung der Präferenzstimmen: 47,4%). Die Grünen gewannen 6,9%, das bestes Ergebnis seit ihrer Gründung. Die Socialist Alliance (die nicht landesweit kandidierte) kam auf über 14.000 Stimmen, etwas weniger als 1%.
Die Verschuldung der Haushalte als Hauptfaktor für Howards Wahlsieg
Über 90% der Australier/innen waren gegen die Beteiligung des Landes am Irakfeldzug der US, mehr als 750.000 demonstrierten im Februar 2003 gegen den Krieg, die große Mehrheit wendet sich gegen eine weitere Deregulierung im Gesundheitssystem und nur 19% der Bevölkerung unterstützen eine Vollprivatisierung des halbstaatlichen Telekomunternehmens Telstra. Alles Positionen, die der Politik der konservativen Regierung diametral entgegengesetzt sind. Warum hat Howard trotzdem gewonnen?
Ein wichtiger Faktor war die Angstkampagne der Regierung vor höheren Zinsen. Die Haushaltsverschuldung der Australier/innen hat über die letzten Jahre einen neuen Rekord erreicht – auch und insbesondere im Vergleich zu anderen Ländern. Grund dafür waren die rapide ansteigenden Hauspreise, die immer mehr Familien zwangen, höhere Kredite für den Hauskauf aufzunehmen. Von 1997 bis 2002 stieg die Haushaltsverschuldung durchschnittlich 15,4% pro Jahr, 2003 sogar um mehr als 20%. Die Bedrohung durch höherer Zinsen kann man am Verhältnis der Gesamtverschuldung zum Gesamteinkommen der Haushalte ersehen: 1993 war die Gesamtverschuldung bloß 56% des Gesamteinkommens (wie etwa in anderen Ländern), während sie sich 2004 auf mehr als 125% verdoppelte. Kreditnehmer/innen können in Australien bis zu 100% Kredit für den Kauf eines Hauses / einer Wohnung aufnehmen. Hinzu kommt, dass es anders als in Österreich kaum Höchstzinsen auf Wohnungskredite gibt, jeder Anstieg der Zinsen wird daher sofort dem Kreditnehmer/innen angelastet.
Die Immobilienpreise haben sich seit 1996 ebenso mehr als verdoppelt (in Städten wie Sydney verdreifacht). Ein Haus kostete 1996 etwa das Sechsfache eines durchschnittlichen Jahreseinkommens, während es heute das Neunfache kostet. Dies resultiert auch in Illusion des Wohlstands für Hausbesitzer/innen, die oft einen neuen Kredit auf das teurer gewordene Haus aufnehmen, um sich Konsumausgaben, etwa ein neues Auto, leisten zu können.
Viele bürgerliche Ökonom/inn/en sprechen von den massiv angestiegenen Hauspreisen in Australien (und Britannien) als der „mother of all bubbles“ (Mutter aller Spekulationsblasen). Wenn die Zinsen, die nach 1998 massiv gesenkt wurden, wieder ansteigen, könnten die Hauspreise rasch wieder fallen und die Zinsbelastung der Haushalte stark zunehmen (was wiederum in weniger Konsumausgaben resultiert und in einer tiefe Rezession enden kann). Die Hauspreise reflektieren auch nicht Produktivitätsgewinne der australischen Ökonomie, sondern bloß eine Umverteilung von Reichtum von jenen, die keine Immobilien besitzen zu Immobilienbesitzer/inne/n.
Howards Angstkampagne, eine Laborregierung würde höhere Zinsen bedeuten, hat den gewünschten Effekt gehabt und war Thema Nummer 1 im Wahlkampf. Labor hat daher insbesondere in den Regionen Wähler/innen/stimmen verloren, wo die Hypothekenbelastung am höchsten ist.
Die bestehende ökonomische Unsicherheit, insbesondere die Angst das Eigenheim zu verlieren, wurde natürlich auch von den bürgerlichen Medien weiter geschürt. Einerseits vermittelte sie den Wähler/inne/n die Regierungspropaganda, dass es den Australier/inne/n noch nie besser ging, andererseits warnten sie davor, dass dies alles in gefährdet wäre, sollte Labor an die Macht kommen. Rupert Murdochs Newscorp hat etwa 50% Marktanteil am australischen Zeitungsmarkt und die wichtigsten drei Fernsehsender stehen alle im Besitz von rechten Medienmagnaten.
Die oppositionelle Labor Party stellte sich jedoch nicht als Alternative zu Howard dar, sondern bloß als dessen Fortsetzung.
Labor Party – Die Konservativen mit dem Arbeiterantlitz
Die Labor Party Australiens war schon seit jeher eine der konservativsten sozialdemokratischen Parteien der Welt und hat schon die neoliberalen Konterreformen der 80er und 90er Jahren durchgesetzt – was letztlich auch in ihrer Abwahl 1996 resultierte.
Der neue Parteivorsitzende Mark Latham unterstrich in seiner Rede auf der Parteikonferenz, dass nur Labor, nicht Howards konservative Regierung, die nächste Phase der „Wirtschaftsreformen“ durchsetzten könne, die von den Laborregierungen von 1983 bis 1996 begonnen wurden. „Labor hat die moderne australische Wirtschaft durchgesetzt. Wettbewerb und Produktivität sind Labor Worte. Sie gehören nicht den Konservativen, sondern uns.“
Während seine beiden Vorgänger, Simon Crean und Kim Beazley, sich von den unpopulären Laborregierungen der 80er und 90er Jahre (ohne) Erfolg distanzierten, spricht sich Latham offen für weitere prokapitalistische Reformen aus. Er fordert weitere Deregulierung von Wirtschaftszweigen, weitere Privatisierung von Teilen der Gesundheitsvorsorgung, niedrigere Einkommensteuern für Reiche und Sozialkürzungen für die Armen und kritisiert die Howardregierung, dass diese nicht konsequent genug dieses Programm zu verfolgt.
Unterschiede zu Howard gibt es in der Außenpolitik, wo Latham für eine von den USA unabhängigere Linie eintritt (unter anderem forderte er verhalten den Rückzug der australischen Truppen im Irak). Dies ist auch im Interesse eines großen Teils der herrschende Klasse, die befürchtet, dass Howards uneingeschränkte Unterstützung von Bush gegen ihre langfristigen strategischen und kommerziellen Interessen in Asien ist. Trotzdem ist Latham weiterhin für eine enge „Partnerschaft“ mit den USA und hat gleich nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden dem US-Botschafter einen Besuch abgestattet.
Im Wahlkampf wie auch in der politischen Realität unterschied sich demnach die Labor Party kaum von den Konservativen und beide vertraten in essentiellen Punkten dasselbe Programm. Die Labor Party konnte (und wollte) den Australier/inne/n keine Alternative zu Howard anbieten. Nach der Wahlniederlage hat Latham sogar angekündigt, die Labor Party noch weiter zu reformieren und die wenigen fortschrittlichen Programmpunkte zu entfernen. Auch die Forderung nach dem Truppenabzug aus dem Irak wurde fallengelassen.
Howards „Reform“agenda
Ausgestattet mit einer Mehrheit im Repräsentantenhaus und Senat plant Howard die Implementierung einer großen Zahl neoliberaler Maßnahmen. Australien ist mit der Privatisierung des Pensionssystem, Deregulierung des Gesundheitswesens und der weitgehenden Privatisierung fast aller staatlichen Unternehmen und Infrastruktur jedoch schon viel weiter als die meisten europäischen Staaten.
Die bereits angekündigten Maßnahmen umfassen unter anderem
> Vollprivatisierung des staatlichen Telekomunternehmens Telstra: der Staat hält immer noch einen 51% Anteil an diesem börsennotierten Unternehmen. Der angekündigte Verkauf über die Börse wird der größte Börsengang in der Geschichte Australiens – die beteiligten Investbanken erwarten über US$100 Millionen Honorar.
> Deregulation der Medien: Medienunternehmen sollen künftig weitgehend unbeschränkt sowohl Radio, TV als auch Zeitungen besitzen dürfen, auch sollen ausländische Konzerne künftig verstärkt in Australien aktiv werden dürfen. Dies erlaubt insbesondere Rupert Murdochs News Corp nicht nur den australischen Zeitungsmarkt zu kontrollieren, sondern auch Fernsehsender seinem Konzern hinzuzufügen. News Corp hat übrigens seit kurzem sein Hauptquartier in die USA verlegt – die Medieninitiave Howards kommt daher sehr gelegen. Aktien börsennotierter Medienunternehmen haben seit Howards Wahlsieg über 30% hinzugewonnen.
> Weitere Deregulierung und Privatisierung im Gesundheitsbereich: wesentliche Bereiche des vormals staatlichen Gesundheitssystems sind schon privatisiert, die börsennotierten Gesundheitskonzerne (Radiologie und Pathologiekliniken, Spitäler, etc.) sind wichtige Bestandteile des australischen Kapitalmarktes – ihnen sollen weitere profitable Teile des Staats zugeschanzt werden. Selbstbehalte und private Gesundheitsversicherungen sollen weiter and an Bedeutung gewinnen. Aktien börsennotierter Pharmaunternehmen haben seit Howards Wahlsieg über 20% hinzugewonnen.
> Verlängerung der Lebensarbeitszeit: Steuerbegünstigte Auszahlung der einbezahlten Pensionen soll erst mit 67 oder 70 möglich sein.
> Weitere Beschneidung der Gewerkschaftsrechte: geplant ist unter anderem, dass Arbeitnehmer (kleinere) Unternehmen wegen „unfairer“ Kündigung nicht mehr belangen können, Schutz für Streikbrecher und Zeitarbeiter, Verbot von Solidaritätsstreiks sowie Streiks während eines gültigen Betriebsübereinkommens (oft 2 bis 4 Jahre) und grundsätzliche Einschränkung branchenweiter Tarifverträge.
Eine Perspektive gegen diese bevorstehenden Angriffe kann sicherlich nicht die Labour Party geben, sondern nur ein konsequenter Klassenkampf, der mit Standort- und Systemlogik bricht. Auch wenn die antikapitalistische Linke in Australien schwach ist, so bietet die Klassenkampfgeschichte des "fünften Kontinents" doch auch Ansatzpunkte für eine radikalere Politik.