Mitte Januar versammelten sich im schweizerischen Davos die hohen Tiere der Weltwirtschaft. Das Event wurde dieses Jahr „Cooperation in a Fragmented World“ (Zusammenarbeit in einer fragmentierten Welt) genannt. Tatsächlich sind die heutigen Zeiten etwas ungemütlich und statt „cooperation“ haben wir eher … Krieg! Immerhin: die Teilnehmenden haben sich wie jedes Jahr vorgenommen, sich unverschämt als Löser der Probleme der Welt darzustellen –auch wenn sie geradezu das Zentrum der Probleme sind! Für Deutschland war das Forum die Gelegenheit, Lobbyismus für seine „klimafreundliche Wirtschaft“ zu machen.
Die sogenannten Wirtschaftsexpert:innen waren dieses Jahr in Davos in besonders guter Begleitung: Dieses 53. Forum versammelte eine Rekordzahl an Staatschefs. Ungewöhnlich, aber nicht erstaunlich, war die Abwesenheit Russlands. Dafür gab es eine große ukrainische Delegation. Die Spannungen zwischen China und USA, die die heutige Weltwirtschaftssituation prägen (siehe Aurora Nr. 20) „schwebte“ über allem. China selbst war wenig repräsentiert. Für die westlichen Mächte scheint die Zeit der „Kooperation“ auch mit diesem Land vorbei. Während Österreich nur zwei Minister geschickt hatte, war das deutsche Kapital hingegen mit Bundeskanzler Scholz und anderen Politiker:innen würdevoll vertreten.
Trotz Vertretungen aus der ganzen Welt bleibt dieses Forum – genauso wie seine Schwestern G7 und G20 – ein Forum des „globalen Nordens“. Die Großkonzerne und ihre Söldlinge treffen sich zum Austausch. Und immer geht es dabei darum, wo und wie Extragewinne eingestrichen werden können. So verstärkt sich das imperialistische System, das auf weltweiter Ausbeutung beruht.
Kurz vor der Eröffnung des Weltwirtschaftsforums veröffentlichte die Nichtregierungsorganisation Oxfam einen neuen Bericht zur Ungleichheit. Laut Oxfam gingen von je 100 US-Dollar, die an Vermögen in der Welt erwirtschaftet wurden, 54,40 US-Dollar an das reichste Prozent der Weltbevölkerung und nur 0,70 US-Dollar an die ärmsten 50 Prozent. Das Vermögen der Milliardäre wächst jeden Tag um 2,7 Milliarden. Um diese Leute geht es jedes Jahr in Davos.
Was sich liebt, das neckt sich
Beim Weltwirtschaftsforum haben also die armen Länder nichts zu suchen: Die Diskussionen finden unter imperialistischen Mächten statt. Und obwohl man unter Kumpels war, war alles nicht so einfach. Als die USA im Herbst letzten Jahres den neuen „Inflation Reduction Act“ (Inflationsreduzierungsgesetz) ankündigten, kam bei europäischen Großmächten Ärger auf. Der Titel des Maßnahmenpaketes erweckt den Eindruck, es gehe darum die Inflation zu bekämpfen. Aber US-Präsident Biden will vor allem die Industrie in den USA mit 370 Milliarden Dollar subventionieren und Unternehmen aus dem Ausland anlocken. Kaum war das Weltwirtschaftsforum zu Ende, konterte die deutsche
Präsidentin der Europäischen Kommission, von der Leyen, mit einem europäischen „Green Deal Industrial Plan“ (GDIP): Auch in Europa sollen „Subventionen und Steuervergünstigungen“ an „Investoren“ bewilligt werden. Der Deckmantel ist mal wieder „das Klima“, „grüne Technologien“ sollen „gefördert“ werden. Aber da heute ja alle Konzerne „grün“ sind, ist das also ein großes Programm zur Verteilung staatlicher Gelder an die Industrie. Der deutsche Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) jubelte gleich über das „frische Geld“. In den kommenden Monaten soll dieser Plan genauer unter den europäischen Ländern ausgestaltet werden. Das könnte Anlass für Spannungen in der EU geben, denn von diesen hunderten Milliarden – diesmal an Euros – werden vorwiegend Deutschland und Frankreich profitieren! Die Diskussionen sollen aber nicht ewig dauern. Indem er „die Dringlichkeit, den Heimatmarkt für Zukunftstechnologien zu stärken“ betont, lässt der BEE seine Gier nach Gewinnen durchblicken.
Es lebe die Grüne Wirtschaft?
Diesen „Green Deal Industrial Plan“, der eine Antwort auf den amerikanischen „Inflation Reduction Act“ sein soll, werden wir bezahlen. Dieses „frische Geld“ (das eigentlich aus einem alten Corona-Wiederaufbauprogramm abgeleitet werden soll) lässt sich nicht aus dem Nichts schaffen. Sollten wir uns aber zumindest über diesen „Green Deal“ freuen, weil er ein Anfang zur Lösung der kommenden Klimakrise ist? Sicher nicht. Für die europäischen Großunternehmen geht es überhaupt nicht darum, schneller „klimaneutral“ zu werden, sondern darum, ihre Gewinne in den kommenden Jahrzehnten zu sichern. Das deutsche Kapital will sich die nötigen Investitionen für die Energiewende vom Staat bezahlen lassen und weltweit führender Exporteur bleiben. Im Rahmen dieses internationalen Wettbewerbs haben die armen Länder keine Chance.
Von der Leyen betonte, die Milliarden seien Mittel „für Forschung, Innovation und strategische Industrieprojekte“. Aber existieren saubere – und zwar erneuerbare – Energiequellen nicht schon? Diese „Strategie“ hat nicht als erstes Ziel, den weltweiten CO2-Ausstoß zu reduzieren (und wer weiß, wann und in welchem Tempo die großen Konzerne überhaupt CO2 reduzieren werden, wann es ihnen in ihre Gewinnüberlegungen vielleicht mal passt …). Dieser neue Plan der EU hat als erstes Ziel, die europäische (und vor allem deutsche) Herrschaft im weltweiten Wettbewerb zu sichern. So eine Vorgehensweise stellt keinen winzigen Fortschritt dar. Ein „sauberer“ Kapitalismus, der imstande wäre, die von uns allen so sehnsüchtig gewünschte Energiewende zu bewerkstelligen, ist nicht zu erwarten. Den gibt es nicht.
Grüne und Fossile in Österreich
In Österreich ist seit Anfang 2020 die Regierung aus ÖVP und Grünen im Amt. Versprochen wurde: Klimaneutralität Österreichs bis 2040! Passiert ist: nichts wirklich Relevantes. Zunächst dominierte die Corona-Pandemie die Regierungsarbeit, doch auch nach nunmehr drei Jahren im Amt heißt es Greenwashing statt grüner Wende. Vorzeigeprojekt ist das „Klimaticket“, ein vergünstigtes Ticket für alle Öffis in einem Bundesland, einer Region bzw. ganz Österreich. Während Pendler:innen, die bereits viel Bahn fahren, profitieren, ist es für viele Menschen zu teuer, und vor allem mangelt es am Ausbau schlecht angebundener Gebiete und an dichteren Takten. Die eingeführte CO2-Bepreisung hat Kraftstoffe zwar teurer gemacht, aber keinen relevanten Lenkungseffekt im Mobilitätsverhalten. Obendrauf gab und gibt es Förderungen für Unternehmen – inklusive Subventionen für teure fossile Energie. Zum längst ausgelaufenen Klimaschutzgesetz gibt es keine beschlossene Nachfolge. Die ÖVP wird weiter relevante Maßnahmen blockieren – und die Grünen werden die Politik der ÖVP für Unternehmen und Reiche und gegen Migrant:innen mittragen.
Die grüne Klimaschutz- und Infrastrukturministerin
Gewessler verkündete letzten Sommer das 2020 stillgelegte Kohlekraftwerk Mellach wieder betriebsbereit machen zu wollen – aus Angst vor Gasknappheit und zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Anfang 2023 wurden die Pläne zunächst auf Eis gelegt. Die notwendigen Arbeiten zur Wiederinbetriebnahme wären teuer und langwierig gewesen, also nicht geeignet zur Sicherung einer unmittelbaren Versorgungslücke.
Große Aufregung gibt es derzeit um geplante Erdgasbohrungen durch das australische börsennotierte Unternehmen ADX in Molln (Oberösterreich), in unmittelbarer Nähe von Naturschutzgebiet und Nationalpark. Informationen zum aktuellen Stand sind teilweise widersprüchlich, eine Bohrlizenz dürfte aber noch nicht erteilt worden sein. Während von einem Vorkommen in Höhe des dreifachen Jahresverbrauchs Österreichs die Rede ist, schätzen Expert:innen die Wahrscheinlichkeit für Funde in großem Ausmaß gering ein. Die lokale Bevölkerung erfuhr durch Zufall von den Plänen und organisiert sich in einer Bürgerinitiative dagegen.
Sabine Müller und Lorenz Wassier, Berlin