Offensichtlich ist die Frage der EU-Aufrüstung eine der wesentlichen Fragen der österreichischen Innenpolitik, obwohl (oder vielleicht gerade weil) sie an großen Teilen der Bevölkerung schlicht vorbeigeht.
Die politischen Eliten in Österreich von Blau bis Grün stehen hinter dem Projekt einer eigenständigen militärisch hochgerüsteten EU als imperialistischem Gegenstück zu den USA. Entsprechend ist der öffentliche Protest sehr leise, dies ist eine äußerst problematische Entwicklung.
Ein dumpfer Antiamerikanismus wirkt hier noch verstärkend (es ist kein Zufall, wie groß die Erfolge von Michael Moore hierzulande sind). Die EU-Eliten sind darüber durchaus erfreut, wirkt dieser Antiamerikanismus doch positiv für eine eigenständige EU-Identität der Bevölkerung (die eine wesentliche Vorbedingung für die Schaffung eines imperialistischen Blocks ist) und verschleiert gleichzeitig die Großmachtbestrebungen der EU. Ein gutes Beispiel waren die Anti-Kriegs-Demonstrationen in Spanien, bei denen von SozialdemokratInnen "Gerhard-Schröder"-Schilder mitgetragen wurden, ohne zu thematisieren, dass gerade die BRD mittlerweile – etwa in Afghanistan oder auf dem Balkan – ein militärischer Global Player geworden ist. Die Aufgabe von MarxistInnen und anderen fortschrittlichen Menschen ist hier die Aufnahme der Losung des Marxisten Karl Liebknecht, der im ersten Weltkrieg formulierte:"Der Hauptfeind steht im eigenen Land".
Unter diesen Rahmenbedingungen hat die Werkstatt für Frieden und Solidarität (ehemals Friedenswerkstatt Linz) die Initiative zu einem Friedensvolksbegehren ergriffen. Einerseits gebührt der Werkstatt, Lob dafür, dass sie in ihrer Zeitung Guernica beständig mit großem Detailreichtum darum bemüht ist, die EU und ihre Aufrüstungsbestrebungen zu thematisieren. Andererseits versucht die Werkstatt, so etwas wie ein positives fortschrittliches Österreich-Bewusstsein zu etablieren (was wir als konsequente InternationalistInnen für falsch halten). Konsequenterweise wird hier auch mit anderen Kräften zusammengearbeitet, die nicht nur ein Österreich-patriotisch agieren, sondern auch keineswegs fortschrittlich eingestellt sind. So wurden bei der "Protestkundgebung gegen die österreichische Beteiligung an EU-Kampftruppen" am 14.12.04 in Wien ein AL-Aktivist von KundgebungsteilnehmerInnen als "linke Zecke" beschimpft.
Diese Österreich-patriotische Haltung spiegelt sich im Text des Volksbegehrens wieder: eine wesentliche Forderung ist die Aufrechterhaltung der österreichischen Neutralität. Wir halten das für eine gefährliche Illusion. Unter dem Deckmantel der Neutralität war Österreich seit 1955 ins westliche Militärbündnis einbezogen, unter dem Deckmantel der Neutralität ist Österreich den Nato-Vorfeldorganisationen Partnership for Peace sowie der Partnership for Peace plus beigetreten, unter dem Deckmantel der Neutralität stationiert Österreich Truppen am Balkan und unter dem Deckmantel der Neutralität wird Österreich die EU-Verfassung unterschreiben, die eine breit gefasste militärische Beistandspflicht der EU-Staaten umfasst und sich (mit grüner Flankendeckung) auch an den EU-Schlachtgruppen beteiligen.
Wir glauben, dass es daher nicht die Aufgabe wäre, ebenjene Totgeburt Neutralität (die gleichzeitig eine der Lebenslügen der zweiten Republik ist) zu verteidigen, sondern auch und vor allem offensiv zu thematisieren, dass die Linke eben nicht neutral ist, sondern bei Angriffen imperialistischer Staaten klar Stellung gegen diese beziehen sollte. Wir werden daher das Volksbegehren nicht unterstützen, weil wir einen wesentlichen Teil seiner Stoßrichtung für falsch halten. Selbstverständlich würden wir aber bei einer Volksabstimmung über die Ratifizierung des EU-Vertrags oder über den Beitritt zur Nato mit "Nein" stimmen.