Obwohl der Irak Mitte November die neuerliche Aufnahme der Waffensuche durch UN-Inspektoren akzeptiert hat, steht ein neuer Krieg am persischen Golf weiter im Raum.
Der Wiederaufnahme war ein längeres diplomatisches Tauziehen zwischen den USA und Großbritannien auf der einen Seite und Frankreich, Rußland und China auf der anderen Seite vorausgegangen (der Irak als Statist hatte nichts mitzureden). Hintergrund des Streits ist einerseits die Furcht der europäischen und russischen Ölkonzerne, von den USA nach einer Besetzung des Iraks über den Tisch gezogen zu werden, andererseits die Angst Rußlands und Chinas, die USA in dieser strategisch bedeutenden Region praktisch vor der Haustür sitzen zu haben. Ihre Bedeutung resultiert vor allem aus den im Irak nachgewiesenen und vermuteten Ölvorkommen und der Nähe zu den Ölreserven der kaspischen Region (mehr dazu im Artikel "Blut für Öl?"). Letztendlich konnte der Streit gütlich beigelegt werden, eine gemeinsame UN-Resolution wurde verabschiedet. Welche Zugeständnisse Frankreich bekommen hat, werden wir wohl nie erfahren, Rußland und China bekamen jedenfalls von den USA freie Hand, gegen ihre eigenen moslemischen Minderheiten in Tschetschenien bzw. Westchina vorzugehen.
Offiziell soll der Irak von Massenvernichtungswaffen gesäubert werden und ihm die Möglichkeit genommen werden, Atombomben zu bauen.. Dass es bis jetzt keinen Beweis für die Fähigkeit des Iraks, Atombomben zu bauen, gibt und die Grundlagen für das Chemie-Waffen-Programm in den 80ern mit Hilfe der USA und Frankreichs gelegt wurden, stört da nicht weiter. Im Kampf gegen die "Achse des Bösen" ist die Wahrheit schließlich durchaus dehnbar.
Doch für den Fall, dass keine Waffen gefunden werden, wurde bereits vorgesorgt: Die irakische Regierung zu beseitigen und ein amerikanisches Militärregime zu errichten, das die Ölfelder des Landes kontrolliere, sei "mindestens so wie wichtig wie die Beseitigung von Massenvernichtungswaffen", erklärte William Seidman, hoher Wirtschaftsberater von vier US-Präsidenten. Und genau das ist der Plan. Am 10. Oktober gab die Bush-Regierung bekannt, dass der Irak im Anschluss an den Einmarsch der USA unter amerikanische Militärherrschaft gestellt werden soll. An die militärische Herrschaft soll sich später ein von US-Zivilbeamten geführtes Regime kolonialer Art anschließen. Das sei schließlich, so Seidmann, "das Beste, was der Börse passieren kann".
Um nicht falsch verstanden zu werden: auch wir haben keinerlei Sympathien für Saddam Hussein, den Schlächter von KurdInnen und SchiitInnen und passionierten KommunistInnenmörder. Wir glauben allerdings nicht, dass die Alternativen sich um einen Deut unterscheiden. In Afghanistan etwa regiert weiterhin die Scharia, die islamische Gesetzgebung, gegen die die USA angeblich zu Felde gezogen sind. Und auch im Irak würde sich an den realen Verhältnissen nichts ändern. Der einzige Unterschied wäre, dass einmal mehr der Weltpolizist seine strategische und wirtschaftliche Basis deutlich verbessert hätten.