Von 1965-1975 waren die USA im Vietnam-Krieg engagiert. Dieser Krieg wurde von den USA nicht militärisch verloren. Die größten Feinde der USA waren die Anti-Kriegs-Bewegung im eigenen Land und – damit zusammenhängend – die vollständige Zersetzung der eigenen Armee vor Ort.
Der US-Offizier Colonel Robert D. Heinl schrieb in einem Bericht über die Lage der US-Armee in Vietnam, sie befinde sich „in einem Zustand vor dem Zusammenbruch, mit einzelnen Soldaten und ganzen Einheiten, die dem Kampf ausweichen oder ihn offen verweigern, die ihre Offiziere und Unteroffiziere ermorden und da, wo sie nicht kurz vor der Meuterei stehen, mit Drogen vollgestopft und demoralisiert sind”.
Durch die Dauer des Krieges in Vietnam wuchsen Widerstand und Befehlsverweigerungen der amerikanischen Truppen bis hin zur Mordversuchen und Ermordungen der Vorgesetzten („fragging” im Jargon der Soldaten). 1970 gab das Pentagon die Zahl von 209 „fragging”-Fällen an, im Jahr zuvor war es noch die Hälfte. Sogar Preise in Höhe von 50 bis zu 10.000 Dollar waren von diversen Untergrundzeitungen der Soldaten auf Köpfe von Offizieren und Unteroffizieren ausgesetzt, vornehmlich auf jene, die ihre Truppen in ausweglose Schlachten schicken wollten oder geschickt hatten.
Rassendiskriminierung seitens der Vorgesetzten war alltäglich, dies schürte zusätzlich den Hass der schwarzen Soldaten und führte zu zahlreichen Anschlägen auf das Leben der Offiziere. Insgesamt sind nach Schätzungen an die 9.000 Offiziere und Unteroffiziere von ihren eigenen Untergebenen getötet worden.
Die G.I.‘s (im Militärjargon einfache Soldaten) wurden sich in Vietnam sehr schnell ihrer mißlichen Lage bewußt, ca. 65.000 Soldaten desertierten 1970, vier Mal so viele wie im Jahr 1966. Sogar Überläufer zum Vietcong (nordvietnamesische Truppen, unterstützt von China und der UdSSR) waren keine Seltenheit, insgesamt liefen 12-15.000 Soldaten über und versorgten den Vietcong mit wesentlichen Informationen.
Auch in den USA wurden Sabotageakte an Flugzeugträgern und Kriegsschiffen, die nach Vietnam auslaufen sollten, verübt. Zahlreiche Soldaten weigerten sich, nach Vietnam zu gehen, ließen sich nicht gegen Friedensdemonstrationen einsetzen oder agitierten gegen den Krieg. Ungefähr 15.000 US-Soldaten saßen 1970 weltweit in Militärgefängnissen, viele davon als politische Gefangene. RITA (Widerstand in der Armee) und AWOL (das Fernbleiben der Truppe ohne Urlaub) waren Schlagwörter der G.I.-Bewegung.
Soldatengewerkschaft
Doch wie sieht revolutionäre, linke Arbeit innerhalb der Armee aus? Die ASU (American Servicemen Union), eine Art Soldatengewerkschaft, hatte auszugsweise folgende Pro-grammpunkte: das Recht, sich illegalen Befehlen zu widersetzen, wie etwa einen illegalen, imperialistischen Krieg zu führen; Wahl der Offiziere durch die Mannschaften; Ende der Unterdrückung durch die weißen Soldaten; kein Truppeneinsatz gegen Demonstrationen und streikende ArbeiterInnen; staatlich garantierter Mindestlohn, usw.
Der ASU traten nach ihrer Gründung 1967 über tausend G.I.‘s bei. Sie bot den G.I.‘s Rechtshilfe an. In US-Stützpunkten, auch in Westdeutschland, kam es oft zu rassistischen Übergriffen auf schwarze Soldaten, wenn diese sich wehrten, wurden sie vor ein Kriegsgericht gestellt. Die ASU stellte dann einen Verteidiger zur Verfügung. Vorsitzende dieser Gerichte waren Offiziere und Unteroffiziere, die meist-ens an diesen Übergriffen beteiligt waren. Dennoch erzielte die ASU einige Erfolge dabei, die Unschuld ihrer Mandanten zu beweisen. Unterstützend war dabei, dass sich die G.I.-Bewegung in den Kasernen konsolidierte und somit Druck ausüben konnte. Die ASU bra-chte auch eine Zeitung, „the bond”, heraus, um die G.I.‘s aufzuwecken und ihnen miß-liche Zustände zu schildern. Sie richtete außerdem Kaffeehäuser in der Nähe von Stützpunkten ein, dort wurde Beratung und Aufklärung angeboten.
„No vietnamese ever called me a nigger”
Schwarze Soldaten, die einen Großteil der amerikanischen Streitkräfte ausmachten, wurden seit jeher geschlagen, misshandelt und denunziert. „Die Armee ist die rassistischte Organisation überhaupt” hörte man oft von schwarzen G.I.‘s. „Voice of the lumpen”, eine Zeitung von afroamerikanischen Soldaten, die in Frankfurt am Main herausgegeben wurde, verstand sich als Unterstütz-erin der revolutionären US-amerikanischen „Black Panther Party” (mehr dazu in Morgenrot 20, 21 und 22). Sie wollte die dort stationierten G.I.‘s über die Arbeit der Partei und über Opposition innerhalb der Armee informieren. Sie forderte unter anderem mehr Rechte für die G.I.‘s, Freiheit für politische Gefangene in Militärgefängnissen und die Befreiung von schwarzen und unterdrückten Soldaten vom Wehrdienst, da diese vom US-Imperialismus und Kapitalismus dabei als Schachfiguren benutzt wurden (und werden), die Völker der Welt zu unterdrücken.
Viele Schwarze in Vietnam orientierten sich am Slogan „No vietnamese ever called me a nig-ger” (Kein Vietnamese hat mich jemals Nigger genannt) und brachten dem Vietkong zumin-dest passive Sympathie entge-gen (wenn sie nicht sogar überliefen). Viele trugen rote Halstücher und zeigten damit, dass sie nicht auf Vietkong schießen würden. Sie waren beeinflußt von der sich radikalisierenden Schwarzenbewegung in den USA, gleichzeitig beeinflußten sie diese wiederum, wenn sie nach dem Ende ihrer Wehrzeit zurück in die Staaten gingen. Viele führende Kader der Panthers hatten sich in Vietnam politisiert.
Gleichzeitig haben natürlich auch die Herrschenden die Lehre aus Vietnam gelernt. Waren in Vietnam noch Wehrpflichtige eingesetzt, sind es heute im Irak BerufssoldatInnen und SöldnerInnen, die durch ihre schwächeren Bindungen zu Menschen außerhalb des eigenen Berufs, aber auch durch ihre höhere Motivation besser einsetzbar sind. Besonders interessant ist der steigende Einsatz von SöldnerInnen. Waren es im ersten Golfkrieg noch ca. 10%, schreibt der „Kurier”, dass es im aktuellen Krieg deutlich mehr sind (genaue Zahlen sind nicht erhältlich). Sie werden vor allem für „schmutzige“ Jobs eingesetzt, mit denen die USA und Großbritannien danach offiziell nichts zu tun haben wollen.
Aus dieser Sicht ist auch die weltweite Tendenz zur Einführung von Berufsheeren zu sehen. Es wird versucht, die Grundlage für den Widerstand und den Ungehorsam innerhalb der Streitkräfte zu verringern oder auszulöschen, um eine „funktionierende” Armee befehligen zu können und nicht von „innen“ bekämpft zu werden.
Doch auch wenn es schwieriger ist: gerade die US-Armee hat immer noch einen Anteil von Schwarzen, der deutlich über dem der Gesamtbevöl-kerung liegt. Die meisten gehen zur Armee, weil sie eine der wenigen Möglichkeiten ist, einen sozial abgesicherten Job zu bekommen. US-Marines etwa verdienen für US-Verhältnisse nicht schlecht. Sterben haben diese Soldaten aber nicht eingeplant. Und Widersprüche sind in der US-Armee genügend vorhanden: Bereits in der ersten Woche nach Beginn des Irak-Krieges hat ein Soldat, der erst kurz davor zum Islam konvertiert war, auf einem Stützpunkt eine Handgranate geworfen. Und ein lang andauernder (Guerilla-)Krieg im Irak könnte diese Widersprüche sehr schnell an die Oberfläche bringen.