“Wegen der Hitze” – so erklärte einer der (derzeit zahlreichen) Kurzzeitpräsidenten Argentiniens, Ramon Puerta, warum viele Kinder in seiner Heimatprovinz, der er 1991 zum ersten Mal als Gouverneur vorstand, weder Hemden noch Schuhe tragen.
Es ist nicht nur die ausweglose soziale Situation, es ist auch die Präpotenz der PolitikerInnen, die die Menschen in Argentinien zum Aufstand treibt. Puerta selbst verfügt laut Steuererklärung über ein Privatvermögen von mehr als sechs Millionen Dollar, über ein Penthouse in Paris und über Privatflugzeuge. Gleichzeitig leben in Argentinien rund 40% an oder unter der Armutsgrenze (die mit österreichischen Verhältnissen natürlich nicht vergleichbar ist), mehr als 1/3 sind arbeitslos oder unterbeschäftigt.
Bereits zu Beginn 2001 stürzte ein Aufstand, vor allem der Indigenen (die rund die Hälfte der Bevölkerung ausmachen), die Regierung in Ecuador – nun ist ihr die argentinische Regierung gefolgt. In den meisten Ländern Mittel- und Südamerikas gibt es mehr oder weniger stark ausgeprägte Proteste gegen die Sparpolitik der jeweils Herrschenden.
Die Politik der nationalen Eliten in Verbindung mit den Institutionen des internationalen Kapitalismus – Weltbank und IWF (Währungsfonds) – hat eine Schärfe erreicht, die es den Menschen in diesen Ländern unmöglich macht, sie noch länger zu akzeptieren. Die Länder des Südens sind in immensem Ausmaß verschuldet, obwohl die tatsächlichen Schulden bereits Mitte der 80er zurückgezahlt wurden. Seitdem werden diese Länder vom Schuldendienst erdrückt und zahlen enorme Summen, die einzig der Bewältigung der Zinsen der in den 70ern aufgenommenen Kredite dienen.
Die Schuldenfalle
IWF und Weltbank (und damit die reichen Länder und Konzerne des Nordens) haben sich über den „Schuldendienst” ein ausgezeichnetes Instrument gesichert, die Politik der Länder des Südens zu gestalten. Wenn die BefehlsempfängerIn-nen in den nationalen Regierungen einmal nicht mehr mitspielen, wird der Geldfluß für die „Umschuldung” gestoppt. Und die Bedingungen für die Kreditgewährung lesen sich meist wie ein neoliberaler Brief ans Christkind: Einfrieren der Löhne bei gleichzeitiger Freigabe der Preise, Kürzungen im öffentlichen Sektor und bei den Sozialausgaben, Privatisierungen, … Der Großteil der unter diesen Auflagen gewährten Zahlungen fließt dann allerdings sowieso direkt wieder zurück in die Kassen der westlichen Banken, die die Kredite gewährt haben, die Bevölkerung sieht kaum einen Cent davon.
Kein Wunder, daß unter diesen Bedingungen die argentinische Bevölkerung revoltiert. Der aktuelle Aufstand wurde Mitte Dezember vom achten Generalstreik innerhalb von zwei Jahren eingeleitet. Das Maß ist voll, und der Großteil der Menschen in Argentinien weiß das. Auch die traditionelle Partei der Mehrheit der Arbeitenden, die (bürgerlichen) PeronistInnen – mit denen auch viele Gewerkschaften verbunden sind -, konnten diesmal die Wut der Bevölkerung nicht mehr zügeln.
Derzeit sind die Eliten in der Defensive, allein in den letzten 12 Tagen vor dem Jahreswechsel „verbrauchte” Argentinien fünf Regierungschefs, doch das kann sich schnell ändern. Auch das Militär, das in der Vergangenheit für blutige Diktaturen gegen die ArbeiterInnenbewegung gesorgt hat, könnte noch ein Wort mitreden.
Eine ganze Reihe von revolutionären Organisationen in trotzkistischer Tradition stehen derzeit Tag für Tag auf den Straßen Argentiniens. Sie versuchen, die Bewegung zusammenzufassen und voranzutreiben und haben teilweise durchaus Einfluß in breiteren Schichten . Ihnen gilt in diesen Wochen unsere Solidarität, denn jeder Sieg gegen die Herrschenden in Argentinien ist ein Sieg gegen die Herrschenden weltweit.